Die beiden Umweltabenteurer Michelle Albert und Liam Strasser hatten eine Vision: Mit einem Boot aus recycelten Materialien (getauft „Wilma“) auf der Donau von Kritzendorf in Klosterneuburg an das Schwarze Meer paddeln und somit auf das große Verschmutzungsproblem des Flusses aufmerksam machen. Mehr als 1.000 Kilometer legten die beiden im Sommer 2021 zurück und beschäftigten sich tiefgründiger mit dem zweitlängsten Fluss Europas. Im Gespräch mit „goschat!“ erzählen sie von den Ups and Downs ihrer Reise.
Michelle: Primär wollten wir die Donau kennenlernen. Mit dem Kayak runterzufahren wäre aber viel zu einfach. Das wäre dann ein netter Urlaub gewesen, aber kein Abenteuer. Außerdem kann man es einfach gut symbolisieren: Wenn man ein upgecyceltes Boot hat, ist das ein Hingucker. Das Ganze war natürlich super gefährlich, deshalb soll das bitte keiner nachmachen.
Liam: Wir haben einen Artikel vom WWF gelesen, in dem geschrieben wurde, dass die Donau sehr belastet ist, sei es von der Industrie oder dem Einzelverbraucher. Wir wollten diesem Problem unbedingt auf den Grund gehen und die Problematik aufzeigen.
Liam: Zuerst haben wir nachgedacht. Wir brauchten Informationen über den Fluss selber. Wo sind gefährliche Stellen? Wie sieht es mit den Schleusen aus? Wo sind die Grenzübergänge? Über willhaben.at haben wir Surfbretter, Aluminiumstangen und alte Surfsegel gesucht. Wir sind beide keine Ingenieure, also war das Zusammenbauen des Bootes ein großer Learning-By-Doing Prozess. Wir haben uns auch informiert, was man auf der Donau alles darf: Man muss zum Beispiel mit dem „Schwimmkörper“ Manöver durchführen können und lenken, das mussten wir auch einmal beweisen vor der Wasserpolizei (lacht).
Michelle: Am internationelen Danube Day, den 29.6. wollten wir fertig sein und losfahren. Wir waren nur bedingt flexibel, denn wir mussten uns Urlaub nehmen und deshalb hatten wir eine fixe Deadline für das Fertigstellen. Wir hatten aus Zeitgründen nichtmal eine Testfahrt gemacht! Wir haben uns einmal raufgesetzt, jedoch ohne unserem Gepäck und Verpflegung.
Michelle: Regulär musst du dich immer abmelden in dem einen Land und danach im anderen wieder anmelden. Es ist nicht wie ein normaler Grenzübergang, du musst stehenbleiben, das Boot anlegen, es müssen alle möglichen Informationen preisgegeben werden: Wer ist der Kapitän? Ob man Fleisch auf dem Boot transportiert usw.
Liam: Ausgehend von dem Artikel vom WWF knüpften wir Kontakte zu Professor Andreas Fath, Chemieprofessor an der Universität Furtwangen. Er ist spezialisiert auf Mikroplastik und wir wollten von ihm wissen, wie wir einen wissenschaftlichen Beitrag leisten können. Es gibt sehr viele Aspekte: Uferverbauungen, Fischmigration, wie Wasserkraftwerke die Tiere im Wasser beeinflussen und wie alles schlussendlich wieder zurück zum Menschen kommt.
Michelle: So sind wir darauf gekommen, Informationen zu sammeln, die Andreas Fath dann auswertet. Mit einem sogenannten Planktonnetz haben wir im Laufe der Reise insgesamt 1.000 Liter Wasser gefiltert, kleinere Proben in Wasserflaschen abgefüllt und mitgenommen. Das Mikroplastik in der Donau sinkt auf den Grund, in den Großstädten ist die Belastung durch den Verkehr höher, da es aufgewirbelt wird. Wir haben unsere Proben in einer gewissen Tiefe gesammelt, deshalb können wir davon ausgehen, dass die Belastung noch viel höher ist als gemessen.
Liam: Das Wasser haben wir in unseren 25-Liter Kanistern an Häfen aufgefüllt, das war eigentlich nie ein Problem. Das Essen haben wir dankenswerterweise von Sponsoren zur Verfügung gestellt bekommen, das war so eine Art Astronautenfutter: Man muss nur heißes Wasser draufgießen und es ist essfertig. Es ist vom Gewicht her sehr leicht und hat viele Kalorien, was genau richtig war für uns.
Michelle: Der Tretbotantrieb war sehr laut, sich unterhalten ging also schlecht. Der Antrieb hat aber einen guten Rythmus gemacht, deshalb war gemeinsam singen super. Man sieht unglaublich viele Dinge entlang der Donau. Ich bin zum Beispiel total zum Vogelfan geworden. Uns war grundsätzlich nie langweilig, man sieht immer etwas Neues.
Liam: Auf dem Boot kannst du nie nichts machen, entweder musst du treten oder zumindest das Steuer manövrieren. Das kann man bei einem Tretboot nur zu zweit. Es war eine ständige Teambuilding-Übung.
Michelle: Man wurde unglaublich braun auf dieser Reise. Da wir 12 Stunden am Tag auf diesem Boot gesessen sind, mussten wir total aufpassen zwecks Sonnenbrand. Durch das ständige Treten waren unsere Knie sehr angeschlagen. Liam spürte das am Meisten, ein halbes Jahr nach dem Trip schmerzten sie immer noch.
Liam: Unsere Füße waren grundsätzlich immer nass, da die Pedale für das Boot ins Wasser ragten. Michelle hatte womöglich eine Chemikalie im Wasser abbekommen, am Schluss konnte sie sich die Haut von den Füßen abziehen.
Michelle: Da wird einem total mulmig, vor allem auf so einer Reise. Daheim wäre das alles nicht so schlimm gewesen, aber man konnte die Wunde eben nie trocken halten oder richtig pflegen. Da fragt man sich dann schon: Wird das jetzt eine Blutvergiftung oder Ähnliches? Menschen sind definitiv nicht dafür gemacht, dass ihre Füße 12 Stunden am Tag im Wasser sind. Außerdem waren die Mücken unglaublich lästig. Ohne einen Gelsenspray und Kleidung am ganzen Körper wäre da nichts gegangen.
Liam: Schwierig ist es, wenn man sich gemeinsam über eine lange Zeit auf ein Abenteuer begibt und nicht weiß: Wie verläuft das? Wie wird es werden? Irgendwann stoßt du an deine eigenen Grenzen und an die deines Partners/deiner Partnerin. Man lernt die andere Person so kennen, wie man sie noch nie kennengelernt hat. Man hat keine Zeit für sich selbst und ist immer auf den anderen angewiesen. Da entsteht so ein Abhängigkeitsgefühl, das ziemlich ungut ist. Es ist schwer das richtig zu kommunzieren, sodass sich die andere Person immer noch wertgeschätzt fühlt.
Michelle: Für mich war es Belgrad. Dort haben uns dutzende Frachter überholt und die Wellen waren so spitz, da bekam man es mit der Angst zu tun. Wir wollten natürlich nicht, dass unser Boot kentert, wir hätten das ganze Essen und Kameraausrüstung inklusive Aufnahmen von der Reise usw. verloren.
Liam: Wilma war aus Teilen gebaut, die nach der Reise keine Funktion mehr gehabt hätten. In der letzten großen Stadt vor dem Donaudelta haben wir entschieden, das Boot dort recyclen zu lassen. Wenn wir weiter gefahren wären, hätten wir das Boot irgendwo am Ufer stehen lassen müssen und zur Verschmutzung weiter beitragen wollten wir natürlich nicht. Wir hatten nurmehr eine Woche Zeit. Nach der Entsorgung des Bootes sind wir noch mit dem Zug ans Donaudelta, das war unser eigentliches Ziel.
Michelle: Wir wollen nicht nur auf Lustig machen, wo Menschen sagen: „Schaut’s mal wie deppert die sind“, sondern wir wollen damit wichtige Themen ansprechen und zum Nachdenken anregen oder sogar etwas bewirken.
Liam: Wir setzen uns Gefahren aus, um Aufmerksamkeit auf die Dringlichkeit zu lenken, die dieses Thema inne hält. Wir Menschen belasten bewusst unsere Umwelt, da muss man sich fragen: Was hinterlassen wir? Wo soll es hingehen?
Liam: Das nächste Projekt steht in den Startlöchern. Es startet im Juli 2022. Es geht um: Regional einkaufen. Wie kann es sein, dass die Marille aus der Wachau den gleichen Preis hat wie eine, die von fernab kommt, obwohl weniger CO2 ausgestoßen wird und die Qualität womöglich gleichwertig ist? Es werden Ressourcen verschwendet, die im Endeffekt keinen Mehrwert gehabt haben.
Michelle: Genau das wollen wir symbolisieren, indem wir Marillen aus Frankreich mit den Einkaufswagen nach Österreich bringen. Wir motorisieren das Wagerl mit eigener Kraft, und zwar auf Rollschuhen. Schauen wir was passiert, es wird auf jeden Fall wieder absurd.
Liam: Das wäre die weiteste zurückgelegte Strecke mit einem Einkaufswagen. Wir haben schon bei Guinness World Records angefragt.
Den ersten Teil ihres Dokumentarfilmes „ONE WAY BOAT“ über die Reise mit dem „Boot aus Müll“ kann man bereits auf YouTube ansehen:
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Vor allem die Neuzügler kennen das Problem. Es ist Freitagabend und man hat die Qual…
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