Offene Beziehungen – Wie kann das funktionieren?

Offene Beziehungen, Polygamie, Polyamorie, Vielehen und und und. In vielen Gesellschaften sind diese Beziehungsformen seit eh und je gang und gäbe. Auch im traditionell monogamen Österreich gibt es vor allem unter jüngeren Generationen einen Trend hin zu weniger Exklusivität in Beziehungen. Doch wie kann das funktionieren? goschat.at hat sich dafür bei zwei Personen, die offene Beziehungen erlebt haben Einblick verschafft.

Manfred

Nach einem Jahr Monogamie probierte Manfred mit seinem damaligen Freund ein offenes Beziehungsmodell aus. Für beide war es die erste offene Beziehung. Die Gestaltung einer offenen Beziehung kann sehr unterschiedlich sein. Für die beiden war aber klar, an ihrer zweisamen Bindung kann nicht gerüttelt werden. Nebenbei ist es aber erlaubt, mit anderen Personen Sex zu haben.

Gründe für das Öffnen einer Beziehung

Manfred und sein Ex-Freund entschieden, sich gesellschaftlich vorgegebenen Beziehungsmodellen nicht fügen zu wollen. Laut dem 25-Jährigem, eröffnete die Aussicht auf eine nicht-monogame Beziehung sehr viele Möglichkeiten. Die Motivation ihre Beziehung zu öffnen lag aber auch in der Chance, sich gemeinsam, sowie getrennt weiterentwickeln zu können. Der Hintergedanke war dabei allerdings immer, dass die Beziehung von beiden ausgeht und die sie sich gegenseitig haben.

Voraussetzungen für das Funktionieren einer offenen Beziehung

Damit das Öffnen einer Beziehung gelingen kann, braucht es laut Manfred in erster Linie Offenheit und Kommunikationsfähigkeit mit dem Partner oder der Partnerin. Auch die Fähigkeit sich auf etwas Neues, Unbekanntes einzulassen ist notwendig. Erwartungen und Hoffnungen sollten aber im Vorhinein besprochen werden. Das Aufbauen eines Regelwerkes kann ebenfalls sinnvoll sein. Dabei ist es aber wichtig, eine gewisse Offenheit zu bewahren und auszuprobieren, welche Rahmenbedingungen für die Beziehung passen könnten. Manfred selbst erzählt, dass sein Ex-Freund und er sich zwar einige Gedanken dazu gemacht haben, allerdings keine fixen Regeln festgelegt haben. Im Nachhinein gesteht er, dass dies ein Fehler gewesen sein könnte.

Hindernisse und Eifersucht

Eifersucht kann laut Manfred definitiv ein Hindernis sein. Solche Gefühle können aus seiner Erfahrung auch sehr unerwartet und plötzlich auftreten. Manfred meint dazu: „Meine Strategie war darüber zu reden. Oder es einfach zu versuchen. Er war auch sehr offen dafür, darüber zu reden. Aber er hat diese Gefühle nicht abstellen können.“ Bei Manfred und seinem damaligen Partner führte die Eifersucht letztendlich zu hitzigen Debatten, viel Streit und in weiterer Folge zur Trennung. Als ein weiteres Hindernis nennt Manfred Logistik. Um eine offene Beziehung zu führen braucht es ein gewisses Maß an Organisation und eigener Struktur. Zeitliche Einteilung muss berücksichtigt werden. Wenn man seinem ursprünglichen Partner dann absagen muss, um mit jemandem anderen Zeit zu verbringen, kann das laut Manfred schon mal zu Problemen führen.

Zukunftsausblick

Nach dem Ende seiner damaligen Beziehung war für Manfred klar, dass er für zukünftige Beziehungen ein offenes Modell anstreben wird. Mittlerweile, ein halbes Jahr nach der Beziehung, ist er allerdings auch wieder offen für Monogamie. Laut ihm wird das aber individuell von dem jeweiligen Partner abhängen.

Jamie

Jamie lebt seit 7 Jahren in einer offenen Beziehung. Die 30-Jährige definiert eine offene Beziehung so, dass sie einen „Hauptpartner“ hat, nebenbei aber auch mehrere andere Partner:innen haben kann. Dies muss immer im Einverständnis mit dem ursprünglichen Partner geschehen und bestenfalls sollten sich die Partner:innen auch kennen. Von vornherein war aber auch ihre Beziehung nicht offen.

Wie es zur Entscheidung kam

Bereits beim Kennenlernen wurde klar, dass das Öffnen ihrer Beziehung eine Option ist. Beide waren schon zuvor in offenen Beziehungen und waren laut Jamie sehr begeistert von dem Beziehungsmodell. Während es in früheren Beziehungen leider nicht funktionierte, waren beide gewollt es noch einmal auszuprobieren. Nach ungefähr einem Monat Beziehung öffneten Jamie und ihr Freund dann ihre Beziehung. Vor allem die kommunikative Art der beiden sprach laut Jamie für das Öffnen ihrer Beziehung. Jamie und ihr Freund lernen gerne neue Leute kennen. Außerdem meint Jamie, dass sie gerne flirten und sehr viel Liebe zu verbreiten haben. Exklusivität und das Ergreifen von Besitz des Partners oder der Partnerin lehnt Jamie für ihre Beziehung ab. Daher war die Entscheidung zur Polygamie laut Jamie definitiv die richtige.

Kommunikation ist das A und O

Damit ihre offene Beziehung funktioniert ist für Jamie und ihren Freund Kommunikation einer der wichtigsten Grundbausteine. Das bedeutet für sie auch, dass ihr Hauptpartner ihre anderen Partner:innen kennt und sie auch die Partner:innen ihres ursprünglichen Partners kennt. Wer was mit wem macht und wer welche Gefühle für wen hat, wird offen kommuniziert. Falls es dazu kommt, dass negative Gefühle wie Eifersucht aufkommen, wird das sofort besprochen und für alle Parteien offen gelegt. Jamie beschreibt sich und ihren Hauptpartner als sehr reflektierte Menschen. Die beiden haben sich viel mit Eifersucht und Vertrauen in ihre Beziehung auseinandergesetzt. Aufgrund ihrer offenen Herangehensweise kommt es nur selten zu Problemen in ihrer ursprünglichen Beziehung. Jamie erzählt aber, dass Eifersucht mit ihrem zweiten Partner schon zum Thema wurde, da diese Form der Beziehung für ihn neu ist. Durch das viele Reden über ihre Gefühle haben sich die negativen Gefühle allerdings wieder gelegt.

Regelwerk

Am Anfang ihrer offenen Beziehung erarbeiteten Jamie und ihr Freund sich ein größeres Regelwerk. Mit der Zeit, meint Jamie, ist dieses Regelwerk aber viel lockerer geworden. Vorerst waren nur spontane Sachen ohne große Gefühle erlaubt. Im Laufe der Beziehung hat sich das Gerüst laut Jamie aber immer weiter geöffnet und mittlerweile führen beide neben ihrer „Hauptbeziehung“ auch „Nebenbeziehungen“. Ihr ursprüngliche Partner wird für sie aber immer an erster Stelle stehen, für ihn würde Jamie alles stehen und liegen lassen.

Wie es weitergeht

Jamie und ihr Freund haben sich vor 3 Wochen verlobt und planen ihr Leben gemeinsam zu verbringen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist Jamie sehr glücklich in ihrer Beziehungskonstellation und wünscht sich weiterhin in einem offenen Modell zu leben. Dass sie irgendwann vielleicht wieder den Wunsch nach Monogamie hat, kann sie aber nicht ausschließen. Denn Einstellungen können sich im Laufe der Zeit ändern. Derzeit ist Jamie aber zufrieden und kann es kaum erwarten ihren Partner zu heiraten.

* Um Anonymität zu gewährleisten, wurden die Namen geändert.