Stadt der Zukunft – Vision, Ideal und Albtraum

Fotocollage Stadt der Zukunft ©Anna Halbritter

Leben wir in den kommenden Jahrzehnten in einem Backofen oder in einem grünen Dschungel? Wie soll die Stadt der Zukunft aussehen?

Schon heute leben drei von fünf Österreicher*innen in Städten, Tendenz steigend. Immer mehr Menschen zieht es in urbane Räume, in Österreich vor allem nach Wien. Sie schätzen die Einkaufsmöglichkeiten, Vielfalt und Abwechslung, kurze Wege, das kulturelle Angebot, das Nachtleben und die Auswahl bei den Jobangeboten. Aber Städte haben auch einen hohen Energieverbrauch, sind oft von Staus geplagt, überhitzt und laut.

Wie soll die Stadt der Zukunft aussehen, die am besten keines der geschilderten Probleme aufweist? Diese Frage stellte „goschat!“ dem renommierten Architekten Peter Sapp.

goschat!: Wie sieht für dich die Stadt der Zukunft aus?

Peter Sapp: Die Stadt der Zukunft wäre für mich eine klimaneutrale Stadt, die nicht nur Energie verbraucht, sondern auch Energie erzeugt. Eine Stadt, die auch in einem gewissen ökologischen Gleichgewicht ist. Das heißt, dass Begrünung, Bepflanzung und Bekämpfung der Überhitzung eine riesige Rolle spielen.

Für mich ist Stadt einfach ein extrem lebendiger, sich verändernder Organismus. Es gibt Gegensätze wie laut und leise, schnell und langsam, grell und bescheiden. Genau diese Mischung macht Stadt aus. Und das ist etwas, das man auf dem Weg in die Zukunft nicht verlieren darf und eigentlich sogar steigern muss.

Es gibt aber Gegenentwicklungen wie Gentrifizierung, wo es darum geht, dass aus den lebendigen Kernen der Städte Leben entweicht. Für junge Leute, Familien, Studenten etc. heißt, dass das sie nicht mehr in diesen Stadtzentren wohnen können, da die Preise so explodieren. Sie werden somit gezwungen, nach außen auszuweichen.

goschat!: Die Gentrifizierung steigert also den Bodenverbrauch?

Sapp: Ja. Daher ist ein taugliches Mittel, um den Flächenverbrauch ein bisschen zu bremsen, die Nachverdichtung von Städten. Man versucht dort, wo schon eine gute Infrastruktur ist, noch mehr Fläche zu schaffen, damit mehr Leute wohnen können. Stadt war immer ein Ort des Aufeinanderprallens und ein Biotop, das Vieles zulässt. Je teurer und unleistbarer gewisse Flächen sind, desto entmischter wird das Ganze.

goschat!: Was wäre für dich die schlimmstmögliche Entwicklung von Städten in der Zukunft?

Sapp: Die schlimmstmögliche Entwicklung wäre, wenn wir es wirklich nicht schaffen, große Schritte zu machen, um den Klimawandel zu bekämpfen oder einzudämmen. Dann werden Naturkatastrophen zunehmen und die Städte zu Backöfen werden. Dies wird Bewohner dazu bringen, noch mehr Energie zu verbrauchen, um ihre Wohnungen zu kühlen. Die Abluft der Klimageräte wird die Städte noch weiter erhitzen. Diese hohen Temperaturen führen schlussendlich zum Hitzetod der Grünflächen. Und Überhitzung ist ja jetzt schon ein Thema.

goschat!: Und was wäre deine ideale Stadt der Zukunft?

Sapp: Eine durchgehend begrünte Stadt, in der öffentlicher Verkehr effizient ausgebaut ist. Dies ist in Wien ohnehin schon sehr gut. Meines Erachtens gibt es wenige Entschuldigungen, dass man tägliche Besorgungen mit dem Auto macht. Das macht man eben, weil man es gern macht.

goschat!: Außer in Flächenbezirken wie der Donaustadt, dort sieht die Verkehrsinfrastruktur weniger ideal aus.

Sapp: Stimmt. In solchen Bereichen müssen öffentliche Verkehrsmittel noch verbessert werden. Zusätzlich sollte man auch Radwegenetze ausbauen und ihr Benutzen erleichtern. Weiters müssen Überlegungen angestellt werden, wie man individuelle Elektromobilität regulieren kann. Für mich hat die ideale Stadt hohe Lebensqualität, ist aber dennoch für den Einzelnen leistbar. Sie bietet außerdem ein großes Angebot an geteiltem öffentlichem Raum. In ihr fühlt man sich wohl und verbringt gerne seine Zeit.

goschat!: Zusammengefasst braucht es in Zukunft weniger Individualverkehr, genug öffentliche Flächen und Freiräume.

Sapp: Genau. Ziel ist ein belebter Raum, keine Schlafstädte, eine Durchmischung von Jung und Alt. Die Grundsätze Höher, Schneller und Stärker sind für mich nicht mehr angemessen für die Zukunft. Städte, die jetzt noch nach diesem Prinzip gebaut werden, wie Dubai, sind für mich komplette Fehlentwicklungen.

Peter Sapp ist Architekt und ehemaliger Professor an der Akademie der Bildenden Künste München. Er ist Mitbegründer des Architekturbüros „querkraft“, das unter anderem Projekte wie den Österreich-Pavillon auf der Expo 2020 und den Ikea am Westbahnhof plante. Querkraft legt großen Wert auf langlebige und nachhaltige Architektur.

Quellen:

https://www.horizont.net/planung-analyse/nachrichten/Keine-Lust-auf-Landluft–146738

https://databank.worldbank.org/reports.aspx?source=world-development-indicators

https://www.querkraft.at/ueber

https://www.querkraft.at/projekte/?typ=auswahl

Titelbild:

Anna Halbritter

Portrait:

Peter Sapp – querkraft