Es ist Samstag 5:30, der Wecker läutet. Daniel B. macht sich bereit für eine Hilfsgüterlieferung an die ungarisch-ukrainische Grenze. Das Auto, ein alter VW T5, ist schon voll beladen. Um 6:30 ist Abfahrt vom Wiener Eislauf-Verein. Die Zeit drängt und die Sonne steht schon längst am Himmel.
Erster Stopp: eine Tankstelle. Hier wird auch der erste von vielen Kaffees bestellt. Insgesamt fährt Daniel bereits zum dritten Mal an die Grenze. „Dazu gekommen bin ich an sich über Social Media“, er habe in diversen Instagram-Stories die Sammelaktion der „Angewandten“ mitverfolgt und sich dazu entschieden mitzuhelfen. Er sei dann schließlich selbst dort hingefahren, um mit Leuten zu sprechen und sich zu vernetzen. Daniel sei froh, dass er bei dem Krieg „aktiv, selber“ mithelfen könne. Die Aktion wurde anfangs von der deutschen NGO Mission Lifeline organisiert, inzwischen kümmern sich aber zwei Studentinnen, um die Abwicklung und Organisation der Fahrten. Sie sind mit ungarischen Hilfsorganisationen in Kontakt und wissen welche Hilfsgüter benötigt werden. Heute sind die zwei jungen Frauen auch auf dem Weg zum Auffanglager.
Nach weniger als einer Stunde überquert das Auto die ungarische Grenze. Der Verkehr ist moderat, einige LKWs sowie andere ausländische Zivilschutz-Lieferungen sind zu sehen. Heute fährt Daniel vor allem Baby Nahrung und Hygiene, Lebensmittel, Medikamente und andere Hygieneartikel an das Auffanglager von Beregsurány. Nach drei Stunden gibt es die erste größere Pause und den zweiten Kaffee. Die Hälfte ist geschafft, nach der Behebung eines Reifendruckproblems kann es schon weitergehen. Die weitere Fahrt verläuft problemlos, Daniel fährt die letzte Stunde über Freilandstraßen.
12:30 Uhr: Angekommen im Auffanglager werden die Hilfsgüter in ein großes Zelt geschlichtet. Es ist bereits viel los, doch Flüchtlinge sind noch kaum zu sehen. Er registriert das Auto bei einem Koordinator der Organisation „Malteser“ für die Mitnahme von Menschen in Richtung Westen. Der Koordinator namens Peter erklärt, dass Menschen erst am späteren Nachmittag ins Lager kämen. In diesem Zeitfenster belädt Daniel das Auto mit Medikamenten und Hygieneartikeln, welche für Kinder und Babys bestimmt sind und bringt sie zu einem Café im Nachbarort zur Zwischenlagerung. Von dort aus sollen ukrainische Ärzte die Hilfsgüter in ein ukrainisches Kinderkrankenhaus bringen. „Wir greifen genau dort ein, wo es die großen Organisationen nicht tun, beziehungsweise merken und füllen ebendiese Lücken auf.“
Zurück im Lager hat Peter inzwischen eine Frau und ihre zwei Kinder, einen etwa 10-jährigen Jungen und seine etwa 15-jährige Schwester, für die Rückfahrt nach Wien registriert. In brüchigem Englisch erklärt das Mädchen, dass sie zu dritt aus Mykolaiv geflüchtet seien und jetzt in Wien bei einem Freund Unterschlupf bekämen. Der Vater müsse im Land bleiben. Die persönlichen Geschichten der Vertriebenen sind nicht leicht zu hören. Daniel versuche, seine Emotionen während solchen Fahrten zu verdrängen. Nach einer Fahrt habe er sich „schon kurz hingesetzt und überlegt“ was er eigentlich mache. Die Menschen seien aber oft sehr positiv eingestellt, weshalb sich Daniel langsam an die Situation gewöhne. Nach zwei weiteren Kaffees tritt er gegen 16 Uhr die Rückfahrt an. Manchmal nimmt er auch Menschen nach Budapest mit, heute sind aber genug freiwillige Fahrer*innen da gewesen um das zu übernehmen. Die Rückfahrt verläuft gut, auch der Reifendruck hat sich nicht mehr verändert. Die österreichische Grenze wird gegen 21 Uhr überquert, die Kinder sind die gesamte Fahrt wach gewesen.
Nach einer Stunde kommt das Auto an der Adresse im zehnten Bezirk an. Die Familie verabschiedet sich dankend, Daniel muss noch in den sechsten Bezirk fahren und dort parken. Ein Ende seiner Arbeit ist noch nicht in Sicht, er möchte trotz der körperlichen Anstrengung weitermachen: „Ich plane ein bis zwei Mal die Woche zu fahren.“ Daniel parkt das Auto und ist sich sicher, dass er sich nun mit einem Bier belohnen wird.
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