Corona-Leben in Ägypten: Eine Auswanderin erzählt

Die 69-jährige Deutsche Eva S.* hat sich vor dreieinhalb Jahren nahe der ägyptischen Stadt Luxor niedergelassen. Im goschat!-Interview sprach sie über Corona, das Landleben und ihr Gartenparadies.

g!: Wie geht es Ihnen und Ihrem Umfeld in der Coronakrise?

Eva S.: Wir hatten auch in der Familie Corona, aus Kairo eingeschleppt, aber alle haben überlebt, auch die 80-jährige Großmutter (Anm. d. Red.: eine Verwandte von Eva S. Partner). Die Oma war im Krankenhaus. Dieser Teil der Familie wohnt in einem anderen Dorf. Sie gelten nun als böse und werden gemieden. Ich hoffe, ich überstehe die Krise unbeschadet. Ich habe noch so viele Pläne.

g!: Haben Sie daran gedacht, Ägypten wegen COVID-19 zu verlassen?

Eva S.: Es ist zwar von der Deutschen Botschaft empfohlen, auszureisen, aber ich habe hier ein Haus, einen großen Obstgarten und vier Katzen. Mein Partner ist etwas jünger, durch ihn habe ich eine riesige Familie. Wir leben hauptsächlich vom Tourismus, im Moment vor allem von meiner Rente. Mein Partner hat aber auch einen recht gut gefüllten Jeansladen.

g!: Wie sehen die ägyptischen Corona-Maßnahmen aus?

Eva S.: Da die Familien hier sehr eng miteinander sind und alle verschwippt und verschwägert, ist Social Distancing ein Fremdwort.
Am Anfang war man wohl davon ausgegangen, dass nur TouristInnen Corona haben, vor allem auf den Nilschiffen. Und hoffte, wenn die TouristInnen ausbleiben, wäre das Problem gelöst. Dann haben sich aber einige sehr hohe Militärs angesteckt.

Das Land war absolut nicht auf Corona vorbereitet. Es gab keine Masken, keine Desinfektionsmittel, die Krankenhäuser möchten Sie nicht sehen.

Eva S.

g!: Und dann?

Eva S.: Ich habe Masken genäht, aber es war dann verboten worden, selbstgenähte Masken zu verkaufen. Die Armee sollte Distributor werden. Niemand hatte eine Maske. Jetzt produziert Cottonil, der führende Unterwäschehersteller, Stoffmasken. Es gibt nun auch Desinfektionsmittel zu kaufen.
Der Tourismus war völlig zusammengebrochen. Alle Schulen und Universitäten geschlossen. Jetzt sollen zirka 300 Hotels mit Einschränkungen und hohen Auflagen für ägyptische Gäste geöffnet werden.

Hier sterben nicht so viele Alte, weil es wesentlich mehr junge Leute und Kinder prozentual gibt.

Eva S.

Am Anfang kam es zu Ausschreitungen, als eine ägyptische Ärztin, die an Corona gestorben war, beerdigt werden sollte. Mittlerweile werden ÄrztInnen wie MärtyrerInnen eingestuft und geehrt.

g!: Wie haben Sie persönlich bisher die Corona-Zeit erlebt?

Eva S.: Anfangs gab es kaum Informationen, nur: Die AusländerInnen waren krank und haben Corona mitgebracht. Erst wurden die AsiatInnen gemieden, dann alle AusländerInnen. Das ging so weit, dass der Microbus nicht angehalten hat, wenn ich zum Nil wollte.

Von staatlicher Seite hat es sehr lange gedauert, bis Aufklärung betrieben wurde. Vor etwa sieben Wochen begann es, hier auf dem Land mit Lautsprecherwägen: „Bleiben Sie zu Hause!“.
Am Anfang gab es dann auch mal zwei Tage eine komplette Ausgangssperre, aber die Landwirtschaft muss weiterlaufen, die Tiere brauchen Futter.

Es gab erst ein Krankenhaus für die ganze Region, danach nahmen alle Krankenhäuser Corona-Fälle auf. Jetzt müssen die meisten Erkrankten zu Hause bleiben, als Heimquarantäne. Anfangs mussten alle ins Krankenhaus, aber sie kommen nun nicht nach. Gestern gab es in der Gegend zehn Neuerkrankungen.

g!: Sie haben erwähnt, dass die empfohlenen Corona-Schutzmaßnahmen nur unzureichend umgesetzt werden …

Eva S.: Es sind immer noch zu viele Unklarheiten. Das Umarmen lassen sie langsam, aber ich werde immer noch komisch angesehen, wenn ich keine Hand geben will. Maskenträger sieht man immer noch wenige. Viele wissen gar nicht, wo sie Masken herbekommen und die Armen haben kein Geld dafür. Cottonil bietet Gute für 20 Pfund an. Einwegmasken kosten wohl zwei Pfund.
Die nächtliche Ausgangssperre dauert von 20:00 Uhr abends bis 4:00 Uhr morgens. Hier auf dem Land umgeht man die Polizeisperren. Es gibt ja auch Schleichwege. Ja, sie meckern. Richtig wird es nur in Städten gehandhabt. In Kairo sollen die Menschen aufmerksamer sein, mehr tragen Masken, aber Abstand ist kaum möglich.

Vermutlich wird diese Phase jetzt länger dauern, weil eben Social Distancing nicht durchsetzbar ist.

Eva S.

Wenn Sie sich die Erkrankungskurve anschauen, von 24. bis 26. Mai 2020 war Zuckerfest, das Ende des Ramadans. Fünf Tage danach schnellen die Werte nach oben.

g!: Wie schützen Sie sich? Können Sie sich beispielsweise Lebensmittel liefern lassen?

Eva S.: Ich besitze ein Tuk-Tuk (Anm. d. Red.: ein dreirädriges Fahrzeug), das ich einem Neffen zur Verfügung gestellt habe. Der beliefert mich. Ich bin wenig draußen.

Ich spreche ja kein Arabisch, bin also immer auf Informationen von anderen angewiesen. Ich nutze zum Beispiel die Facebookseite von Luxor News und übersetze mit Google.

g!: Wie beschäftigen Sie sich in der Quarantäne-Zeit?

Eva S.: Ich bin Farmerin und Gärtnerin, habe eine Nähmaschine und lese Bücher übers iPad.

Seit meiner Kindheit mache ich Handarbeiten, habe seit dem Jahr 2001 zirka 400 Quilts (Anm. d. Red.: Zierdecken) gearbeitet.

Ich muss jeden Tag einen Teil des Gartens wässern. Habe Okraschoten und Molocheya gesät. Jetzt sind die Äpfelchen reif, bald die Weintrauben und Zitronen. Ich habe noch Mangos, Guaven, Granatäpfel, Feigen- und Orangen- und Mandarinenbäume, auch fünf Palmen. Es ist also genug zu tun. Ich trimme mehr als 50 Bäume, die wachsen wie der Wirbelsturm, wesentlich schneller als in Deutschland. Ach, Papaya und Grapefruit gibt es auch noch. Und Artischocken.

Akku ist leer, Schluss für heute Abend. Fragen Sie mich morgen nochmal, tisbah ala khair, mögen Sie in Frieden ruhen!

g!: Das war schon meine letzte Frage. Vielen Dank für das Interview! Gute Nacht!

*Name von der Redaktion geändert

Beitragsbild: „Hurghada Marina, Hurghada, Egypt“ by cattan2011 is licensed under CC BY 2.0
Andere Bilder: privat