„Türkischer Wahlkampf hat in Österreich nichts verloren.“

Recep Tayyip Erdoğan ist der mächtigste Mann der Türkei. Doch das scheint dem amtierenden Präsidenten nicht zu reichen. Die nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen waren für November 2019 angesetzt. Erdoğan kann und will allerdings nicht länger warten und zieht die Wahlen einfach vor. Neuer Termin: 24. Juni 2018.

Ab den Wahlen im Juni tritt eine Gesetzesänderung in Kraft. 69 Artikel der derzeitigen Verfassung werden geändert – zugunsten des Staatsoberhauptes. Sollte Erdoğan tatsächlich wieder zum Staatspräsidenten ernannt werden, hat er somit noch mehr Macht als bisher.

Kurz gegen Erdogan

Die Präsidentschaftswahl steht kurz bevor. Erdoğans Ziel ist natürlich eine Wiederwahl. Dafür will er ordentlich die Werbetrommel rühren. Auch in Österreich. Doch Bundeskanzler Sebastian Kurz macht Erdoğan einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. „Ich bin fest entschlossen, türkische Wahlkampfauftritte in Österreich zu unterbinden. Sie sind mit unserem Demokratieverständnis unvereinbar!“, gibt Kurz via Twitter bekannt.

Recep Tayyip Erdoğan erhält also ein Wahlkampf-Verbot in Österreich und hat dafür absolut kein Verständnis. „Der Kampf der Türkei für die Demokratie kann nicht einfach eingeschränkt werden“, teilte der türkische Präsident mit. Jeder, der sich gegen seinen Wahlkampf stellt, wird „einen hohen Preis bezahlen.“, droht Erdoğan.

Stimmen in Österreich

Auch türkische Staatsbürger, die nicht in der Türkei leben, sind wahlberechtigt. In Österreich wohnen 117.000 Menschen, die ihre Stimme am 24. Juni abgeben dürfen.

Doch was sagen genau diese Menschen zu Erdoğans Wahlkampf-Verbot in Österreich?

„Ich find das Verbot wirklich super. Ein türkischer Wahlkampf hat in Österreich einfach nichts verloren. Die Politik sollte im eigenen Land bleiben.“ (erkan, 23)

Hatice (45, Angestellte) teilt eine ähnlich Meinung: „Es ist gut, dass es verboten wurde. Die Türkei würde einen Wahlkampf von ausländischen Politikern sicher auch nicht unterstützen.“

Mustafa (36, selbstständig) hat eine noch strengere Ansicht: „In Österreich lebende Türken sollten sowieso nicht wählen. Sie haben einen Einfluss auf das Leben in der Türkei, obwohl sie hier in Österreich wohnen. Das ist nicht fair.“

„Viele Türken, die hier in Österreich leben und arbeiten, sparen Geld und ziehen dann später zurück in die Türkei. Deswegen wollen sie über die Zukunft der Türkei mitentscheiden.“, gibt Cüneyt (26, Angestellter) zu bedenken.

Allerdings gibt es auch Stimmen, die das Wahlkampf-Verbot überhaupt nicht nachvollziehen können.

„Es sind immer alle gegen die Türkei. Wenn ein anderer ausländischer Politiker in Österreich Wahlkampf machen will, regt sich bestimmt niemand auf.“ (Aylin, 22)

Ali (72, Pensionist) ist optimistisch: „Das Verbot ist eine Frechheit, aber Erdoğan findet sowieso genug Wähler. Er hat einen Wahlkampf in Österreich gar nicht notwendig.“

Erdoğan findet andere Lösung

Obwohl Recep Tayyip Erdoğan anfangs noch gedroht hat, hält er sich offenbar an das Wahlkampf-Verbot in Österreich. In Deutschland und in den Niederlanden hat Erdoğan ebenfalls ein Auftrittsverbot. Geschlagen gibt er sich dennoch nicht. Es wurde schlichtweg eine Lösung für das Problem gefunden.

Am 20. Mai 2018 hält der amtierende türkische Präsident eine Wahlkampfrede in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo – und alle sollen kommen. 20.000 Menschen werden in der Olympiahalle erwartet. Anhänger aus ganz Europa werden mit Bussen nach Bosnien gebracht. Auch rund 2.000 Fans aus Österreich sollen darunter sein. Erdoğans Partei (AKP) hat diese Busfahrten organisiert. Ein Ticket soll angeblich nur € 25 kosten.