Benefizkonzert #yeswecare: Gegen den Krieg antanzen
Diverse Künstler*innen geben ein Gratiskonzert am Heldenplatz, die Bühne ist dabei in den Landesfarben der Ukraine gestaltet: Die Veranstaltung am 27.03. steht ganz im Zeichen der Solidarität mit dem Land. Dessen Bevölkerung befindet sich seit dem russischen Angriff Ende Februar in einer Ausnahmesituation. Ist das Event ein vernünftiger Weg, zu unterstützen, oder nur Ausdruck aufgestauter Feierlaune?
Picknick auf dem Heldenplatz
Wenn man nur zufällig an dem mit Picknickdecken tapezierten Rasen vor dem Heldenplatz vorbeischlendert, möchte man meinen, ein heiteres Sommerfest findet hier statt. Auch von der Pandemie ist wenig zu bemerken: Die überall ausgeteilten blau-gelben Masken wandern eher in die Tasche der Besucher*innen als auf deren Gesicht. Die meisten haben ihre eigenen Bierdosen und Knabberartikel mitgebracht. Wenige stellen sich bei der offizielle Ausschank an, deren Umsatz dem guten Zweck der Veranstaltung entgegenkommt.
Zuhören und spenden für den guten Zweck
Schließlich soll sie nicht nur ansprechende Unterhaltung für einen Sonntagnachmittag bieten, sondern auch dem Namen „Kundgebung“ gerecht werden. Kundgegeben wird viel zwischen den Musik- und Kabarettbeiträgen. Besonders anfangs treffen diese Ansprachen auf aufmerksame Ohren.
Verschiedenste Redner*innen, darunter sowohl Ukrainer*innen als auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, sprechen sich gegen den Krieg zwischen Russland und der Ukraine aus und appellieren an das Publikum, zu spenden. Dies wird durch zahlreiche Möglichkeiten für jede*n zugänglich gemacht, sodass keine Ausrede gilt: Egal ob Onlineüberweisung durch das Scannen eines der überall angebrachten QR-Codes, Werfen von Bargeld in eine Spendenbox, Kartenzahlung oder freiwilliger Verzicht auf den Becherpfand. Der Erlös geht an SOS-Kinderdorf und Nachbar in Not, um die vom Krieg betroffene Zivilbevölkerung zu unterstützen. Über 150.000€ konnten im Laufe der Veranstaltung gesammelt werden. Im Angesicht einer humanitären Katastrophe erfreut dieses Ergebnis durchaus.
Trotzdem fragt man sich spätestens bei den Moshpits, die sich mit dem abschließenden Auftritt der Band Wanda bilden, wie diese Feierstimmung mit den davor geschalteten Videos von flüchtenden Familien zusammenpassen soll.
Eine Entschuldigung zu feiern?
„Viele Leute sehen das Benefizkonzert sicher als Entschuldigung zu feiern“, meint WU-Student Stefan. Er ist zufällig auf die Veranstaltung gestoßen und beobachtet das Treiben eher aus den hinteren Reihen. Obwohl er davon überzeugt ist, dass Aktionen wie die Kundgebung am Heldenplatz den Verlauf des Krieges kaum beeinflussen, findet er sie geeignet, um das Bewusstsein für die Situation zu erhöhen. Hierbei ist auch der Entertainmentfaktor nützlich. Dadurch wird ein viel breiteres Publikum zugänglich, als man mit einer bloßen Demonstration erreichen könnte.
Zuhause sitzen bringt noch weniger
Dennoch zweifeln viele, ob die Art der Veranstaltung situationsangemessen ist. Auch Ewa, die an der Angewandten studiert, beschreibt das „schräge Gefühl, hier in der Sonne zu sitzen, als wäre man am Donauinselfest, während in der Ukraine alles in Schutt und Asche liegt.“ Sie räumt ein, dass es vermutlich mehr bringen würde, ankommenden Flüchtlingen am Hauptbahnhof zu helfen. Trotzdem findet sie die Veranstaltung sinnvoll, weil sie einen Anreiz zum Spenden bietet. „Es hat ja auch jede Art von Protest den Charakter: ein paar Dosen Bier mitnehmen und eine neue Ausrede zum Feiern. Aber wenn wir alle zuhause sitzen, bringt’s noch weniger.“
Tanzen im Namen des guten Zwecks
Viele junge Leute teilen diese Haltung. Ist das Gewissen erst einmal durch Spenden beruhigt, steht einem hemmungslosen Tanzen im Namen des guten Zwecks nicht mehr im Wege. Obwohl die Veranstalter*innen immer wieder zum Tragen der Maske aufrufen, wird das in den vordersten Reihen zur Seltenheit. Dies verwundert aber kaum angesichts der Kombination von Winters- und Pandemiemüdigkeit, die es nun abzuschütteln gilt.
Die jungen Menschen versuchen an diesem Tag nicht, sich moralisch überlegen zu fühlen. Dennoch bemerkt man bei den Anwesenden ein umfangreiches Wissen und Reflexionsvermögen über die aktuelle Situation. Sie finden es selbstverständlich, nicht mehr benötigte Schlafsäcke und ihr meist knappes Geld an die Bedürftigen zu spenden. Aber das muss sich nicht mit dem jugendlichen Drang zu feiern schlagen. Der pragmatische Blick der Generation zwischen Spaßgesellschaft und politischem Bewusstsein zeigt sich nirgends besser als auf diesem Benefizkonzert.
Solidarität mit der Ukraine
Sozialpädagogin Line wirft die Frage auf, wie man aus unserer privilegierten Position auf die tragische Weltpolitik reagieren soll. „Es ist super, wenn man etwas macht, das Leute sowieso anspricht, und die Einnahmen spendet.“ Veranstaltungen wie diese stärken den Zusammenhalt innerhalb der EU und lassen die Ukraine wissen: „yes, we care.“ Das tun wir nicht weniger, nur weil wir in der Sonne tanzen.