Das Schicksal des Sanatorium Löw
Am 18. März besetzten linksextreme Aktivisten ein Haus im neunten Wiener Gemeindebezirk. Das leerstehende Gebäude wurde Schauplatz einer Protestaktion, die unzählige Probleme thematisieren wollte. Von den Mieterhöhungen bis hin zum Krisen-Management der Regierung. Insbesondere wollten die Aktivisten, die sich selber als „en commun“ bezeichnen, auf die kontroverse Geschichte des besetzten Hauses aufmerksam machen. Denn das leerstehende Wohngebäude durchlief im Laufe der Zeit die Hände vieler unterschiedlicher Besitzer.
Die Kontroverse um das Haus in der Mariannengasse
Um die heiße Debatte der Akte Mariannengasse zu verstehen, muss ein geschichtlicher Exkurs stattfinden. Denn gegründet wurde das Sanatorium im Jahr 1859, in dem der renommierte Arzt Heinrich Löw die private Heilanstalt gründete. Sie wurde zum Klinikum der Berühmten und Reichen. Nach Österreichs Anschluss an Nazi-Deutschland, musste die Tochter des jüdischen Arztes Löw in die USA flüchten. Ein Jahr später liquidierten die Nationalsozialisten das Sanatorium und nutzten es für das Reichsluftfahrtministerium. Ab dem Jahr 1960 bezog die ÖBB das Gebäude. Diese nutzten es einige Jahre. Den Großteil der Zeit, stand das Haus jedoch leer. Heute gehört einer medizinischen Einrichtung die ehemalige Heilklinik. Das kritisierten die Aktivisten heftigst. Sie betonten, das Haus müsse an die ursprünglichen Besitzer zurückerstattet und ungenutzter Wohnraum verwendet werden.
Es kann nicht sein, dass Häuser leerstehen, während so viele Menschen dringend ein Zuhause brauchen. Und es kann nicht sein, dass antisemitisches Raubgut nicht an die Betroffenen zurückgegeben wird.
Simone Steiner, Pressesprecherin von „en commun“
Diese Vorwürfe warf ÖBB Pressesprecherin Julia Krutzler jedoch zurück:“Die ÖBB war österreichweit in 27 Fällen von unrechtmäßig enteigneten Liegenschaften betroffen. In jedem Fall folgten wir den Empfehlungen der Schiedsinstanz für Naturalrestitution“. So seien die Nachkommen entschädigt oder die betroffenen Liegenschaften rückübereignet worden. Des Weiteren versicherte Krutzler, die Schiedsinstanz habe im Fall der Mariannengasse keine vermögensrechtliche Ansprüche gesehen: „Wenn wir Grundstücke erwerben, dann nur von den rechtmäßigen Eigentümern“.
Die Debatte geht weiter
Nur wenige Stunden nachdem das Gebäude besetzt wurde, räumte ein Großaufgebot der Polizei das Gelände, um die Besetzung zu beenden. „en commun“ zeigte sich kampfbereit und kündigte bereits weitere Maßnahmen an: „Die Aktion war der Auftakt einer Kampagne (…). Es werden noch weitere folgen“, so Simone Steiner. Auch wenn das Schicksal des Sanatorium Löw besiegelt ist, ist unklar, wie es um den ungenutzten Wohnraum in Wien steht. Wieviele Wohnungen tatsächlich leer stehen, ist bis dato unklar. Denn anders als in der Schweiz oder in Deutschland, gibt es in Österreich nämlich keinen verpflichtenden Leerstandsmelder. So gehen die Schätzungen auseinander. In Wien könnten daher 30.000 bis schlappe 100.000 Wohnungen leer stehen.