Der Nepal Virus
Nicht nur das Bergsteigen, sondern auch die Fotografie haben den 80-jährigen Bernd angesteckt. Trotz seines mittlerweile höheren Alters, will er immer wieder zurück in das Himalaya Gebirge. Aber was genau steckt hinter dem sogenannten Virus?
goschat!: Wann hast du mit dem Bergsteigen angefangen?
Bernd: Gleich nach der Matura. Also wir reden jetzt etwa vom Jahr 1962. Wir hatten einen Freund, der ein guter Bergsteiger war und über diese Schiene bin ich zum Bergsteigen gekommen. 1963 bin ich dann schon relativ bald zum Alpenverein Ried gegangen.
goschat!: Wie kam es zu deiner ersten Reise nach Nepal?
Bernd: Meine Frau ist auf eine Annonce im Heft des Alpenvereins gestoßen, mit dem Titel Frühling in Madeira, ein Kurs von Bernd Ritschel, der ein bekannter Fotograf und Bergsteiger ist. Wir haben diese Reise dann gebucht und der Hauptgrund für mich war in erster Linie die Fotografie. Ritschel war ein Nepal Kenner. Er hatte vor bald wieder nach Nepal zu fahren und hat gefragt wer denn gerne mitkommen möchte. Also habe ich mich dort angemeldet und bin 1999 zum ersten Mal gemeinsam mit Ritschel nach Nepal.
goschat!: Ist deine Kamera bei jeder Reise dabei?
Bernd: Seit meinem Entschluss mit Ritschel nach Nepal zu fahren ist meine Kamera immer dabei. Fotografieren war neben den Bergen der Haupttrieb und die Kameras wurden immer schwerer und größer.
goschat!: Wie sehen die Vorbereitungen für so eine Reise aus?
Bernd: Es ist so, dass ich seit meiner Jugend immer etwas gemacht habe. Faulenzen hat es bei mir nie gegeben. Wie ich gemerkt habe, dass ich etwas tun muss, wenn ich hohe Touren gehe, habe ich in der Woche zwei bis dreimal trainiert. Das heißt entweder Laufen oder Radfahren und am Wochenende dann immer eine Bergtour. Vorbereitet habe ich mich dann dadurch, dass ich das was ich gemacht habe, öfter gemacht habe. Ich habe also nicht die Intensität der Übungen verändert, sondern die Frequenz. Wenn ich gewusst habe, dass ich in 6 Monaten in den Himalaya gehe, habe ich spätestens drei Monate vorher angefangen noch intensiver zu trainieren.
goschat!: Wie sieht ein üblicher Tag in Nepal aus?
Bernd: Also zunächst, bei meiner ersten Reise, das war noch angenehm, da konnte man von Wien bis nach Kathmandu fliegen, was es heute nicht mehr gibt. Auf einmal war man in einer exotischen Welt. In einer komplett anderen Welt. Man muss sich dann erst einmal zurechtfinden, aber ich war immer sehr neugierig. Die ersten zwei Tage sind in Kathmandu auf 1 200 Meter. Dann je nachdem wo du hinwillst, kannst du entweder mit dem Flieger weiter rauf Richtung Lukla oder mit dem Bus oder Auto Richtung Pokhara. Erst auf dem Trecking ist es dann so, dass man einen gewissen Rhythmus hat. Um 6 Uhr startet die Versorgung im Zelt mit einem Tee und warmen Wasser zum Waschen. Um 7 Uhr gibt es meistens Frühstück und um 8 Uhr ist Abmarsch. Je nachdem was für eine Destination geplant ist, gehen wir zwischen 4 und 10-12 Stunden. Das ist je nach Tagesetappe verschieden.
goschat!: Mit welchen Anbietern warst du unterwegs und wie sehen die Gruppen aus?
Bernd: Bei meiner ersten Reise mit Ritschel bin ich mit der Firma Hauser unterwegs gewesen. Danach dann die Berspächte, Samitclub, und Welt weit wandern. Das sind die mit denen ich am meisten drüben war. Die Gruppen selbst sind immer sehr verschieden. Die meisten Gruppen, die ich erlebt habe waren super Gruppen und mehr als 12 Leute nehmen sie für solche Sachen nicht. Das war also bis jetzt die größte Gruppe rein aus organisatorischen Gründen.
goschat!: Gab es Momente, in denen du an deine körperlichen Grenzen gekommen bist?
Bernd: Also ich bin Gott sei Dank immer gesund geblieben. Ich habe diese Erfahrung nicht gemacht, wie es anderen geht, wenn sie wirklich krank sind. Ich habe mir zum Grundsatz gemacht, nie so weit und so wild zu gehen, dass ich mich voll übermache, ich möchte immer noch einen kleinen Restbetrag haben für den Fall, dass die Situation mal total umschlägt. Damit ich noch fähig bin eine Entscheidung zu treffen, um etwas zu unternehmen. Ich bin noch nie erschöpft gewesen, natürlich müde, aber ich bin noch nie an meine körperlichen Grenzen gekommen.
goschat!: Aus welchen Fehlern hast du am meisten gelernt?
Bernd: Bei jeder Reise habe ich mir gedacht, dass etwas schlauer gewesen wäre. Das habe ich immer gehabt, aber es hat mich nicht zur Verzweiflung geführt. Vor allem habe ich auch gesehen wie es andere machen. Leute, die viel erfahrener waren als ich, von denen habe ich viel gelernt. Ich bin 80 Jahre alt, ich wähle meine Ziele im Moment so, dass sie für mich schiffbar sind. Ich treffe altersgerechte Entscheidungen. Ich weiß was ich mache und wie ich es machen will.
goschat!: Was war für dich bis jetzt der schönste Moment – oder gibt es mehrere Highlights?
Bernd: Die größten Highlights für mich, sind nicht wenn man auf einem 6 500 Meter Berg oben steht. Das ist emotional, sehr schön und klasse, aber der Höhepunkt einer solchen Tour ist für mich, wenn ich wieder gesund zurück im Basislager bin. Vor allem, wenn die, die mit mir unterwegs waren wieder gesund herunten sind. Dann habe ich ein richtiges super Feeling, das man schwer beschreiben kann. Das ist schöner und intensiver als das Gipfelglück.
goschat!: Und wird das Gipfelglück mit der Zeit weniger bedeutend?
Bernd: Nein, jedes Mal ist die Herausforderung anders und jedes Mal ist es ein wunderschönes Gefühl, wenn du da oben bist.
goschat!: Was steckt hinter der Aussage, dass Bergsteigen vor allem in Nepal süchtig machen kann?
Bernd: Ja das ist richtig, der Nepal Virus wird von vielen zitiert. Wie ich zum ersten Mal von Wien nach Kathmandu geflogen bin, bin ich von einem geordneten Land mit Bürokratie und mit Regeln in ein Land gekommen, wo alles anders war, und das hat mich gleich angezogen und neugierig gemacht. Es wirkt auch im sozialen Umfeld, das ist auf jeden Fall ein Verstärker. Auch der Respekt, den du genießt bei Einheimischen und wie sie dir entgegenkommen. Ich kann auch immer ein bisschen was über mich selbst lernen und mich entwickeln. Man wird geduldiger und nachsichtiger, das gehört auf jeden Fall alles dazu.
goschat!: Super, vielen Dank für das tolle Gespräch!
Bernd: Ich sag danke!
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