Die Jalousien unten, die Stege abgesperrt, so sieht derzeit der Bootsverleih in Neusiedl am See aus. Die kleine weiße Hütte steht nicht mehr im Wasser, sondern auf einem Haufen Steine. Die mietbaren Motorboote dümpeln im 20 cm hohen Wasser und warten seit Monaten vergeblich auf Kundschaft. Die „Neptun“, dass majestätische zweigeschoßige Ausflugsschiff, ist auch schon länger nicht mehr in See gestochen.
Der Neusiedler See wird öfters auch „Meer der Wiener“ genannt. Er ist der größte See Österreichs und erstreckt sich vom Burgenland bis nach Ungarn. Der Steppensee ist von einem breiten Schilfgürtel umgeben und Heimat zahlreicher geschützter Tier- und Pflanzenarten. Außerdem ist er ein wichtiger Anziehungsort für Tourist*innen aus dem In- und Ausland. Fast 1,4 Millionen Übernachtungen zählte die Statistik Burgenland in der Region um den Neusiedler See.
Und das hohe Gästeaufkommen sieht man auch. Zahlreiche Pärchen flanieren auf der gepflasterten Promenade in Richtung Seerestaurant. Im Badebereich nebenan sitzt eine Gruppe Jugendliche auf Schotter, der letztes Jahr noch von Wasser bedeckt war.
Der Neusiedler See wird von der „Österreichisch-Ungarischen Gewässerkommission“ als ein abflussloses Becken mit einer hohen Salzkonzentration beschrieben. Der Wasserspiegel in dieser Wanne ist zu rund 80 % vom Niederschlag abhängig. Den Rest steuern Oberflächen-Gewässer wie die Wulka oder der Rákos-Bach zu. Je weniger es regnet, desto geringer ist also die Wassermenge im See.
Und es hat weniger geregnet. In Neusiedl am See gab es laut dem „Hydrographischen Dienst Burgenland“ in den vergangenen fünf Monaten im Vergleich zum Vorjahr 2021 durchschnittlich rund 12 Millimeter weniger Niederschlag. Daher liegt auch der Wasserstand unter den Werten aus dem Jahr 2021.
Aufgrund dieser Tatsache haben sich einige Einheimische nicht mehr die Mühe gemacht ihre Boote aus dem Winterquartier zu holen. Das zu Wasser lassen mit dem Kran zahle sich nicht aus. Die Boote seien zu schwer und würden eventuell auf Grund laufen.
Die geringe Wassermenge bereitet dem Schifffahrtsbetrieb schon jetzt Probleme. Im Mai blieb eine Radfähre im Seeschlamm stecken und musste von der Freiwilligen Feuerwehr geborgen werden. Wenn Urlauber*innen statt Bootfahren schwimmen wollen, sollten sie ebenfalls aufpassen. Im gleichen Monat überschätzte ein Schüler die Tiefe des Gewässers und verletzte sich bei einem Kopfsprung schwer.
Doch nicht nur für den Tourismus ist die Trockenheit fatal. Laut der „Österreichisch-Ungarischen Gewässerkommission“ hat der Neusiedlersee Auswirkungen auf Temperatur und Luftfeuchte der ufernahen Regionen. Bei extremen Wassertiefständen würde sich dort wahrscheinlich das lokale Klima verändern. Ein trockener Schilfgürtel würde den Rückgang bestimmter Fischarten wie z. B. dem Hecht bewirken. Außerdem nimmt die Wasserqualität bei geringem Wasserstand ab.
Aber wenigstens eine negative Entwicklung kann man auch positiv betrachten. Die Gelsen, die mich und alle anderen Besucher*innen bei Sonnenuntergang attackieren und vom See vertreiben, werden es in Zukunft schwerer haben. Keine Schuhplattler-Aufführungen mehr, damit man die lästigen Viecher von freien Körperstellen fernhält. Lange Hitze- und Trockenphasen im Sommer führen nämlich laut Umweltbundesamt auch zu einer geringeren Gelsenpopulation.
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