Unterwäsche aus Milch: Under The Hours macht es möglich

Zwei Frauen laufen verspielt in Unterwäsche und Robe über Wiese Die Models traden nachhaltige Unterwäsche von Under the Hours (Foto: Mona Heiß)

Interview | Nachhaltigkeit spielt eine immer wichtigere Rolle – auch in der Modeindustrie. Under The Hours zeigt, dass es dafür nicht immer Bio-Baumwolle oder Second Hand sein muss. Wir haben mit Gründerin Mona Heiß über ihre neue MilchKollektion und über Nachhaltigkeit in der Modebranche gesprochen.

goschat!: Für die Leser*innen, die dein Start-up noch nicht kennen: Könntest du Under The Hours einmal kurz vorstellen?

Mona Heiß: Under the Hours ist eine nachhaltige Unterwäsche und Loungewear Marke. Zuerst war ich im aws First Incubator und jetzt bin ich bei Greenstart (Wien) dabei und versuche da meine Marke voranzutreiben. Wir entwickeln gerade unsere erste Kollektion, die aus Milch und Orangenfasern besteht.

Wie genau bist du auf die Idee gekommen, Unterwäsche aus Milch und Orangenfasern herzustellen?

Es gibt da zwei unterschiedliche Dinge, wie ich dazu gekommen bin. Erstens bin ich auf die Idee gekommen, Unterwäsche zu machen, weil ich selbst immer Schwierigkeiten hatte, Unterwäsche in meiner passenden Größe zu finden. Ich habe dann oft etwas gekauft und verändert oder kleiner genäht. Das war so mein Einstieg, warum ich mich generell mit Unterwäsche beschäftigt habe.

Zur Milchfaser: Ich trage auch privat nur Naturfasern, einfach atmungsaktivere Materialien wie Seide, Tencell oder Bio-Baumwolle. Ich habe dann diverse Stoffmessen besucht, von verschiedenen Herstellern Stoffmuster eingekauft und mich intensiv mit dem Thema nachhaltige Mode beschäftigt. Dann habe ich Hersteller gefunden, die Stoffe aus Orangenfaser, Bananenfaser und Milchfaser anbieten. Also quasi aus Abfallprodukten, die zu einem sehr hochwertigen satin-artigen Stoff verarbeitet werden. 

Frau sitzt von Nähmaschine und näht
Mona Heiß in ihrem Atelier (Foto: Faye Landborn O´Neill)

Könntest du genauer erklären, wie dieser Stoff aus Milch hergestellt wird?

Nach meinem Verständnis ist es ein Zellulosefaser-Produkt. Das ist ein Prozess, wo die Grundstoffe (etwa Orangenschalen oder Holzfasern) zu einer Cellulose aufgespalten werden und dann in eine Faser gewoben werden. Vergleichbar ist es am ehesten mit dem Prozess, wie auch Tencel* hergestellt wird. Tencel besteht aus Eukalyptus und die Herstellung ist ein geschlossener Kreislauf. Das heißt, dass die verwendeten Chemikalien nicht ins Abwasser gelangen. Bei der Produktion mit Milch ist das eben sehr ähnlich.

Was ist Tencel?

TENCELTM ist eine Marke, die Lyocell herstellt. Lyocell wird aus dem Zellstoff von Eukalyptus- oder Buchenholz hergestellt. Dafür wird das Holz zunächst zerkleinert und eingeweicht, wodurch sich die Cellulose löst. Diese wird dann mit Wasser und einem ungiftigen Lösemittel erhitzt, wodurch die Flüssigkeit verdampft und sich eine zähflüssige Lösung bildet. Die Spinnlösung wird dann gefiltert und durch Spinndüsen gepresst. So entsteht die Lyocell-Faser.
Zudem handelt es sich bei der Herstellung um einen geschlossenen Kreislauf. Das verwendete Lösemittel wird zu etwa 99 % (laut Hersteller) wiederverwendet und gelangt somit nicht ins Abwasser.

Wird die Faser aus Milch hergestellt, verwendet man anstelle der Cellulose das Milchprotein Kasein.

Wie weit bist du gerade mit der Produktion?

Ich bin jetzt in der Prototypenentwicklung. Also wir haben jetzt die Schnitte, an denen wir seit circa einem Jahr arbeiten. Ich versuche natürlich, soweit es geht, die Lieferkette im Auge zu haben, damit ich wirklich weiß, wo mein Material und der Rohstoff für das Material herkommen. Da ist es natürlich auch immer wichtig nachzuschauen und nachzufragen, wie genau der Verlauf der Lieferkette ist. Momentan habe ich zwei Lieferanten für dieses Material. Ich hoffe, dass es in Zukunft noch mehr sein werden und sich generell mehr in diesem Feld tut. Ich finde es einfach wichtig, mit neuen Rohstoffen zu arbeiten.

Wann und wo wird man deine Produkte dann kaufen können?

Es dauert natürlich immer alles länger, als man denkt. Aber wir haben uns vorgenommen, dass im Herbst 2022 die Milch-Kollektion in der Entwicklung abgeschlossen ist. Dann können wir mit der Produktion starten. So kann man vor Weihnachten auch schon das ein oder andere Stück erhalten. Kaufen kann man die Stücke über unseren Online-Shop und eventuell auch über den ausgewählten Fachhandel.

Was war bis jetzt die größte Herausforderung, um das Produkt zu verwirklichen?

Oh, es gibt täglich große Herausforderungen. Eine große Herausforderung ist auf jeden Fall, dass immer alles ein bisschen länger dauert, als man es sich am Anfang vornimmt. Ganz am Anfang hat man immer eine große Vision, wo man hinwill und dann unterwegs gib es viele kleine Hürden. Manche Dinge funktionieren nicht, wie man es sich vorgestellt hat. Es gibt auch sehr viel zu beachten, gerade wenn man sich mit Nachhaltigkeit beschäftig. Da spielen etwa die Materialauswahl und faire Löhne mit. Das Unternehmen muss sich dann aber auch selbst erhalten können und rentabel sein.

Gerade im Modebereich bei Unterwäsche geht es also um jedes kleine Detail: Stoffe, Gummibänder, Fäden. Und umso länger man sich damit beschäftigt, umso mehr wird einem klar, dass man es wahrscheinlich nicht perfekt machen kann. An irgendeinem Punkt muss man sich auch entscheiden, sein bestmögliches zu tun und trotzdem das Projekt voranzutreiben, – auch wenn jetzt im ersten Zug nicht alles perfekt gelingt. Ich glaube, das ist auch eine der größten Herausforderungen und Learnings.

Eine schwarze Frau in Body und eine rothaarige Frau in Robe umarmen sich in der Natur und blicken in die Kamera
Foto: Mona Heiß

Du sagst, man kann nicht alles perfekt machen. Wie würde für dich ein nachhaltiges Unternehmen idealerweise ausschauen?

Mein größtes Ziel wäre es, so weit wie möglich in Kreislaufwirtschaft zu gehen. Also keine Überproduktion zu haben, nichts zu produzieren, was dann im Müll landet und einfach zu schauen, wie man ressourcenschonend arbeiten kann, wie man ein Material upcyceln kann und es langlebig und hochwertig verarbeiten kann. Aber sich auch mit den Fragen beschäftigen: Wie geht dieser Lebenszyklus weiter? Was passiert mit den Stücken, die vielleicht nicht gekauft werden? Wie kann man vermeiden, dass man unnötig viel produziert? Was passiert mit den Stücken, nachdem sie gekauft wurden? Wie wäscht und pflegt der:die Kund:in sie? Das sind alles Stationen, die ich einfach bedenken will.

Dann ist natürlich der soziale Aspekt ein großes Thema. Faire Löhne für Arbeiter:innen im Kopf zu haben und einen Einblick zu haben: Wo produziere ich, wie produziere ich und wer macht das? Und auch einfach sichtbar zu machen, dass es Handarbeit ist, die viel Know-how und Können erfordert.

Da ist auch anzumerken, dass 80 Prozent der Lieferkette in der Modeindustrie Frauen sind. Sie arbeiten sehr oft in benachteiligten Positionen, hauptsächlich in den Fabriken. Die wenigen guten Posten, die es gibt, sind von den wenigen Männern in der Modeindustrie belegt. Das empfinde ich als einen großen Missstand. Da finde ich es wichtig, dass sich etwas bewegt. Das liegt mit sehr am Herzen.

Eine schwarze Frau in Unterwäsche und eine schwarzhaarige Frau in Robe stehen auf einem Stein in einem See
Foto: Mona Heiß

Wie setzt du das mit der nachhaltigen Mode privat um?

Ich bin ein großer Verfechter von Capsule Wardrope – also wenig, dafür aber gut einkaufen. Ich habe sehr gerne zeitlose Schnitte, zeitlose Designs, hochwertige Materialien. Stücke, wo ich weiß, sie passen zu meiner Kleidung, ich kann sie lange tragen und hab lange was davon. Das setze ich privat um und das ist natürlich auch beruflich einer meiner Grundwerte. Mir ist lieber, meine Kund:innen kommen seltener und haben länger was davon.

Wie glaubst du, wird sich Nachhaltigkeit in der Modeindustrie in Zukunft entwickeln?

In der letzten Zeit war Fast Fashion ein großes Thema – leider. Ich habe schon den Eindruck, dass es jetzt auch von Kund:innenseite mehr einen Wunsch nach nachhaltigeren Ansätzen und einen bewussteren Konsum gibt. Manche großen Player der Industrie machen schon Schritte in die richtige Richtung, auf jeden Fall. Manche betreiben da aber eher Greenwashing und tun halt so, weil es gerade „In“ ist. Es ist aber auf jeden Fall notwendig, dass sich da etwas ändert. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, dass mehr kleine Marken das Vorantreiben und da ein bisschen lästig sind. Natürlich können die Kleinen alleine nicht die ganze Modeindustrie verändern. Aber umso mehr die Kleinen bei Fair Fashion einsteigen, desto mehr kommen auch die großen Marken in den Zugzwang, dass sie an ihren Nachhaltigkeitswerten arbeiten müssen. Also das wäre zumindest meine ideale Vorstellung davon, wie sich die Modeindustrie in Zukunft entwickelt.

Gibt es etwas, das du unseren Leser:innen noch mitgeben möchtest?

Was ich auf jeden Fall mitgeben möchte für Konsument:innen, ist, dass man immer nachfragen soll und genau drauf schauen soll, was man so an Mode kauft. Ruhig neugierig sein, wo das herkommt. Vor allem auch wertschätzend mit seiner Kleidung umgehen. Sich etwas aussuchen, was man auch länger haben will, was zeitlos ist. Das wäre so mein Tipp.

Porträt einer lachenden Frau mit langen braunen Haaren

Mona Heiß kommt ursprünglich aus Tirol und wohne seit zehn Jahren in Wien. Vor der Gründung ihres Start-ups, war sie im Bereich Grafik und Modefotografie tätig. Vor etwa drei Jahren hatte sie die Idee für Under the Hours, eine Marke für nachhaltige Unterwäsche und Loungewear. Gerade arbeitet sie an einer neuen Kollektion, die mit Stoffen aus Milch und Orangenfaser hergestellt wird.
(Foto: Faye Landborn O´Neill)

Titelbild: Mona Heiß