Das Leben hinter Gittern

Die Dächer der Justizanstalt Josefstadt im achten Wiener Gemeindebezirk.

Man soll keine Verbrechen begehen. Falls doch, kommt man ins Gefängnis. Die Justizanstalt Josefstadt beherbergt hinter ihren grauen Mauern um die 1.100 Insassen. Was den Beruf dort ausmacht und wie sich der Tagesablauf der Insassen gestaltet, erzählte die Juristin, ehemalige Justizwachebeamtin und stellvertretende Anstaltsleiterin Kerstin Mitsch im Gespräch mit „Goschat“.

Das graue Haus mit hohen Mauern

Die Justizanstalt Josefstadt befindet sich mitten in Wien in der Wickenburggasse und ist das größte Gefängnis in Österreich. Die Belagfähigkeit liegt bei 990 Plätzen – aktuell befinden sich um die 1.100 Insassen in der Justizanstalt. Dort können erwachsene und jugendliche Untersuchungshäftlinge sowie Strafgefangene jeden Geschlechtes mit Freiheitsstrafen bis 18 Monate die Haft verbringen. Das Gefangenenhaus hat jedoch seit circa 12 Jahren einen massiven Anteil an Untersuchungshäftlingen. Auch der Ausländer*innen Anteil ist dort weit über dem Durchschnitt und verursacht zusätzliche Herausforderungen, beispielsweise aufgrund von Sprachbarrieren. „Liebevoll“ wird die Justizanstalt Josefstadt auch das „graue Haus“ getauft, aufgrund ihrer dicken, grauen Mauern.

Leben und Arbeiten in der Justizanstalt

„Drei Jahre lang war ich als Justizwachebeamtin tätig und habe in diesen Jahren alles mitgemacht, was man so erleben kann“, erzählte die ausgebildete Juristin vorab. In dieser Tätigkeit lernte Mitsch die Justizanstalt Josefstadt kennen. Ihren Alltag verbrachte sie entweder im Wachzimmer oder in den verschiedenen Abteilungen: „Hier im Wachzimmerbereich wird man vor allem für das Aus- und Vorführen eingesetzt. Bei den Vorführungen begleiten wir die Insassen zum Arzt oder in den Besuchsbereich. Ausführungen sind für Termine außer Hauses, wie eine Gerichtsverhandlung“. In den verschiedenen Abteilungen betreut ein*e Justizwachebeamt*in die Insassen vor Ort, kümmert sich um etliche Probleme und ist direkte*r Ansprechpartner*in. „Wir versuchen die Insassen mental da abzuholen, wo sie sich gerade befinden und fragen nach, wie es ihnen geht. Oft kümmern wir uns auch um sie, wenn sie etwas brauchen“. Wie im Film jemanden vor den Zellen auf und ab gehen zu sehen, entspricht in der Josefstadt also nicht der Realität.

Ansprechperson Nummer Eins

Insgesamt stehen 450 Justizwachebeamt*innen Rede und Antwort und sind für die Kontrolle und Hilfe von tausend Insassen. Auch wenn es in der Justizanstalt Psycholog*innen, Betreuer*innen und Ärzt*innen gibt, sind in erster Linie die Justizwachebeamt*innen da: „Die sind 24 Stunden und 365 Tage im Jahr vor Ort. Da gibt es keinen Tag, an dem es Niemanden zum reden gibt“. Laut Mitsch geht man dabei als Justizwachebeamt*in eine besondere Beziehung mit den Insassen ein. Die Herausforderung hierbei ist die Balance zwischen Distanz und Nähe zu wahren. „Es ist wichtig, dass Beziehungen entstehen, damit wir wissen, wo die Bedürfnisse und Probleme liegen. Dabei ist klar, dass wir die Verantwortung tragen und ihnen dabei nicht zu nahe kommen dürfen.“ Am wichtigsten sei ein respektvoller Umgang miteinander, daher werden die Insassen auch hauptsächlich mit „Herr X“ und Frau Y“ angesprochen – das stellt wiederum sicher, dass die notwendige Distanz beibehaltet werden kann. Das dabei hin und wieder das „Du“ fällt, kommt insbesondere bei Jugendlichen vor. „Am Ende des Tages soll klar sein, dass wir die Kontrolle haben und sie die Aufgabe haben, das zu befolgen. Trotzdem ist eine gute Beziehung wichtig. Denn je besser wir die Insassen verstehen, desto genauer können wir sie einschätzen“.

Beobachten ist das A und O im Job

Neben einem respektvollen Umgang miteinander, ist eine großer Aspekt im Beruf als Justizwachebeamt*in, die Insassen scharf zu beobachten: „Beispielsweise wenn die Inhaftierten zur Verhandlung begleitet werden, schauen wir ganz genau, wie geht’s der Person, wie ist sie drauf und was erwartet sie für eine Strafe“. Die Gemütslage der Insassen unter Kontrolle zu wissen ist ausschlaggebend, um mögliche Gefahrenquellen ausschließen zu können. Zu dem Umgang mit den Insassen als Justizwachebeamt*in sagte Mitsch zusammenfassend: „Wir sind alle Menschen und wir arbeiten dafür, dass die Insassen von der Zeit, in der sie hier sind, etwas lernen und mitnehmen können“.

Wie es sich als Insasse im grauen Haus lebt

Eine Münze, zwei kontraststarke Seiten. Auf der einen Seite die Beamt*innen, auf der anderen die Insassen. In der Justizanstalt Josefstadt beginnt für Zweitere der Tag um Punkt 6 Uhr Morgens, wenn das Licht aufgedreht wird. Eine halbe Stunde später sind die Justizwachebeamt*innen bereits in den verschiedenen Abteilungen und um 7 Uhr Morgens werden die Hafträume geöffnet. Dann begleiten die unterschiedlichen Abteilungsbeamt*innen die Insassen zu ihrem Frühstück mit Kaffee, Brot und einer morgendlichen Zigarette. Danach geht es für die arbeitenden Häftlinge zu ihrem Job innerhalb des grauen Hauses: „Vom Lebensmittelbereich über Handwerkliches bin hin zu Reinigungsarbeiten, es gibt unterschiedliche Abteilungen, in denen die Insassen arbeiten können“, erklärte Mitsch. Um halb Zwei gibt es Mittagspause. Danach geht es wieder zurück in die Arbeit und um 14 Uhr ist Feierabend. Nicht ganz so spannend verläuft der Tag für diejenigen, die nicht arbeiten: „Da ist der Alltag dann geprägt vom Warten. Warten, dass mich jemand besucht. Warten, bis mein*e Anwält*in vorbeikommt. Warten, dass ich für einen Termin abgeholt werde“. In der Zwischenzeit sei es den Insassen zwar möglich etwas zu lesen, vor dem Fernseher zu sitzen oder zu telefonieren, dennoch arbeiten die meisten Inhaftierten gerne – auch, um Geld für das Leben danach sparen zu können und sich für die Zeit nach der Justizanstalt vorzubereiten.

Bildquelle: Beitragsbild der Justizanstalt Josefstadt von © Justizressort unter justiz.gv.at