Der Yoga-Trend ist explodiert. Die Jahrtausende alte buddhistische Praxis hat sich im Westen der Welt in ein Lifestyle- Produkt verwandelt. Der Markt für schicke Studios, Matten und passende Outfits wächst stetig. Auf Instagram vermitteln Yoga-Influencer:innen ein Bild von Zufriedenheit und Selbstliebe durch Yoga und die ästhetischen Haltungen sind längst ein beliebtes Motiv der Werbebranche. „Yoga sells!“. Hat das, was wir heute als Yoga bezeichnen, eigentlich noch etwas mit der traditionellen Praxis zu tun?
Die Geschichte der uns heute bekannten Asana-Praxis* uralt und in unzähligen buddhistischen Sutras* niedergeschrieben. Sie war traditionell den Männern vorbehalten und an deren Körper angepasst. Neben ihr umfasste die Yoga-Praxis bspw. Atemtechniken, Verhaltens-Empfehlungen und Meditation. Yoga ist Bestandteil des Buddhismus und hat sich eben wie dieser über die Zeit entwickelt, aufgespalten und bereits im 19. Jahrhundert in Europa verbreitet. Schon während der New-Age-Bewegung in den 1960er und 1970er Jahren erlebten europäische Metropolen einen Yoga-Boom.
💡 Die Körperhaltungen werden in der Yogapraxis als Asanas bezeichnet. 💡 Sutra ist ein Sanskrit-Wort (alte indische Sprache) und meint eine Sammlung von Lehrsätzen in der alt-indischen Literatur. 💡 Vinyasa ist ein Yogastil, der Asanas mit dem Atem zu einer fließenden Bewegung verbindet. |
In der heutigen westlichen Welt des Yoga findet man auf den ersten Blick kaum traditionelle Rituale. Moderne Studios legen ihren Fokus meist auf sportliche und gesundheitsfördernde Aspekte. Die dort angebotenen „Flows“ sind eine körperliche Herausforderung hinsichtlich Kraft, Beweglichkeit und Balance. Sie versprechen Entspannung im Alltag sowie die Steigerung von Konzentration und Aufmerksamkeit. Neben den Asanas werden dort keine weiteren Techniken oder Philosophie des Yoga unterrichtet. Dafür gibt es neben „Vinyasa-Flow“* nun Angebote wie „Wine and Flow“- Einer Unterrichtsstunde mit anschließender Wein-Verkostung. Goschat! hat die Wiener Yogalehrerin Judith gefragt, wie das alles zusammenpasst.
goschat!: „Was bedeutet Yoga für dich?“
Judith: „Nach Hause kommen! Yoga ist mein Zufluchtsort vor dem vollen Terminkalender und den Herausforderungen des Alltags. Auf meiner Matte kann ich für 60-75 Minuten alles abschalten und bin ganz in dem Moment und alleine bei mir. Die körperliche Herausforderung ermöglicht mir in der Sicherheit meiner Matte aus der Komfortzone zu treten. Auch wenn ich die anderen Yoga-Pfade nicht so praktiziere wie die Asanas können sie mir viel lehren und beeinflussen mein alltägliches Leben und meine psychische Gesundheit positiv. Einfach zu Sein- vollkommen mit und in mir, im gegenwärtigen Moment- das ist Yoga für mich.“
goschat!: „Glaubst du, dass Yoga für jeden zugänglich ist?„
Judith: „Schwierig. Einerseits ja, denn für eine Praxis braucht es eigentlich nichts. Vielleicht gemütliche Kleidung, eine weiche Unterlage und ein Buch mit Grundlagen. Yoga ist zeit- und ortsunabhängig. Anders ist es bei fancy Altbau-Studios in den Wiener Innenbezirken, wo die teure „nachhaltige“ Matte ausgerollt wird um dann in einer Hose im Wert eines Wocheneinkaufs darauf zu turnen. Diese Angebote sind wirklich nicht günstig. Anfänger:innen sorgen sich auch oft, sie müssten einen Handstand halten oder in einen Spagat rutschen können. Das stimmt natürlich nicht. Aber es wird auch niemandem damit wehgetan, wenn Yoga-Schüler:innen das lernen wollen.
goschat!: „Haben die moderne und traditionelle Praxis noch Gemeinsamkeiten? Und wenn ja, welche?“
Judith: Die Yoga-Praxis ist sowohl eine körperliche, als auch eine mentale Herausforderung des Selbst. Regelmäßig Zeit nur mit sich, dem eigenen Körper und den eigenen Gedanken zu verbringen- Wer macht das schon im Alltag? Traditionell soll die Asana-Praxis darauf vorbereiten, stundenlang in Meditationshaltungen sitzen zu können. Wir nutzen sie eben, um die stressigen Stunden des Alltags zu bewältigen. So weit ist das vielleicht gar nicht von dem traditionellen Gedanken entfernt.
goschat!: „Wie lässt sich Yoga mit Luxusressort-Angeboten und einer Wein-Verkostung vereinbaren?“
Judith: „Wir vergessen so oft, den Augenblick zu genießen. Dabei ist es genau das, was Yoga uns lehren will: Im Moment zu sein. Wenn jemand viel Geld für fünf Tage Yoga- und Meditations-Praxis in einem Luxushotel ausgibt und danach seinen Alltag besser bewältigen kann- Why not? Was spricht dagegen, nach einer anstrengenden Yogaklasse mit neuen Freund:innen, welche dein Hobby teilen, ein Gläschen Wein zu trinken. Sonst fahren wir ja auch in den Urlaub und trinken Alkohol- Warum dürfen wir das nicht mit etwas kombinieren, das uns gut tut und in den Moment bringt?“
An Judiths Yogaklassen kann man in den Wiener Studios „fancypantsyoga 1010“ und „The wyld thing“ teilnehmen. Vor Allem in den kommenden Sommermonaten finden kreative Angebote statt, die eine Erfahrung wert sind.
Mehr Informationen gibt es hier:
Yogastudio „fancypantsyoga 1010“: https://fancypantsyoga.at/
Yogastudio „The wyld thing“: https://thewyldthing.com/
Judith bei Instagram: https://www.instagram.com/flowing.judy/?hl=de
Beitragsbild: ©David Stenitzer
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