Wie soll man Zuhause bleiben, wenn man kein wirkliches Zuhause hat?

"Leave no one behind" by 7C0 is licensed under CC BY 2.0.

„Die Arbeit brachte ein Stück Normalität in den Corona Alltag, eine Abwechslung zum Quarantäne Lifestyle und das war gut so. Natürlich war man vorsichtiger, aber es war schön meine Kolleg*innen und Klient*innen zu sehen und sich einfach auszutauschen.“ – Tobias H. (23)

Der Lieblingsapell der Politiker*innen und Expert*innen

In Wien leben rund 7.000 wohnungslose Menschen, rund 5.000 davon haben Plätze in betreuten Wohnungen oder Wohnheimen. Somit gibt es ungefähr 2.000 Personen die wohnungslos sind und Obdach benötigen. Einige von ihnen nützen keine der sozialen Einrichtungen und entscheiden sich auch im Winter auf der Straße zu leben, während die restlichen rund 800 in Notquartieren unterkommen. Die Sicherheitsmaßnahmen der Regierung im Kampf gegen die Pandemie bezogen sich jedoch ausnahmslos auf die Normalgesellschaft. Der Wohn- und Lebensraum von wohnungslosen Menschen ist größtenteils der öffentliche Raum und der wurde ihnen über Wochen und Monate hinweg verweigert. Die Notunterkünfte kamen an ihre Kapazitätsgrenzen, den öffentliche Raum galt es zu vermeiden und Alternativen waren keine in Sicht.

Das Haus Jaro

Der Standort der Caritas wurde gegründet, um obdachlosen Menschen und nicht Krankenversicherten einen temporären Wohnplatz zu schaffen. Das Haus bietet für 70 Klient*innen bis zu drei Monate einen sicheren Schlafplatz und medizinische Versorgung. Vor allem Langzeitobdachlose sind auf Schutz und Versorgung angewiesen, damit sich ihr gesundheitlicher Zustand nicht verschlimmert. Tobias H. (23) arbeitet nun schon fast drei Jahre im Haus Jaro. Er erzählte von den Corona Sicherheitsmaßnahmen in der Einrichtung und wie sie in den letzten zwei Jahren mit der Pandemie umgegangen sind. ???Die Nachtquartiere wurden auch tagsüber offen gehalten, so mussten die Klient*innen die Einrichtungen in der Früh nicht mehr zwangsweise verlassen. Alle behördlichen Maßnahmen mussten akribisch umgesetzt werden und das Personal umfassend geschult werden. Die Maßnahmen veränderten den täglichen Ablauf: Fiebermessen beim Ein- und Austreten des Gebäudes, mehrmalig die Hände desinfizieren, haufenweise Informationszettel und Absperrbänder, um den Sicherheitsabstand zu gewähren, Quarantänezimmer und für den Notfall zwei Schichten – Teams, sowie ständiges testen und auch geregelte Alkohol- und Zigarettenausgabe. Die Bewohner*innen des Haus Jaro durften selber entscheiden ob sie sich freiwillig isolieren oder lieber zurück auf die Straße gehen und die Mehrheit blieb.  Viele der Klient*innen sind Alkoholiker*innen und so entschied sich das Haus intern und in Absprache mit den Ärzt*innen vor Ort für eine geregelte Alkoholausgabe dreimal pro Tag, vor allem um gröbere Auseinandersetzungen und körperliche Schwierigkeiten zu vermeiden.

„Im ersten Lockdown hat sich ein starkes Gemeinschaftsgefühl entwickelt, vor allem von Seiten der Klienten. Jeder hat begriffen, dass es für niemanden besonders lustig ist und alle an einem Strang ziehen müssen.“

Um die Klienten also weiterhin bei „Laune“ zu halten und jegliche Reibereien zu umgehen, gab es täglich neue Aktivitäten wie basteln, Karten spielen, Tischtennis und der Pastor aus dem Kloster, in dem sich die Einrichtung befindet, lud die Klienten zur Messe ein.

Die Folgen der Corona – Regelungen

Es kamen deutlich weniger Menschen zu den Essensausgaben, jedoch immer noch mehr als gesetzlich erlaubt. Die ehrenamtlichen Kochgruppen fielen Großteils aus, freiwillige Helfer*innen, die zur Risikogruppen gehören, wurden aus Sicherheitsgründen vom Dienst „ausgeschlossen“. So kam es zu Facebook Aufrufen für Geldspenden, um Lebensmittel kaufen zu können und dringend notwendige Helfer*innen zu finden. Vor allem viele junge Leute verspürten den Drang für die Gesellschaft präsent zu sein und meldeten sich freiwillig. Auch Tobias H. betonte, wie wichtig die Hilfe der Freiwilligen in dieser Zeit war. Vor allem was die außer Haus Aktivitäten betraf wie beispielsweise Essenslieferungen oder das Abholen von Apothekenspenden, hier war die Caritas stark auf Unterstützung angewiesen. Das Leben auf der Straße verstärkt nicht nur den psychischen Stress durch Diskriminierung und Ausgrenzung, sondern beeinflusst auch massiv den Gesundheitszustand eines Menschen. Nun konnte es also dazu kommen, dass manche Klient*innen den engen und ständigen Kontakt mit anderen nicht ertragen konnten und trotz Lockdown freiwillig auf die Straße zurückgingen. Straßen-Sozialarbeiter*innen und auch die Polizei waren weiterhin unterwegs und informierten bei offenkundigen Erkrankungen die Behörden.

Die Pandemie brachte für jeden unterschiedliche Herausforderungen, aber sie zeigte deutlich, dass solche Einrichtungen im Alltag vor ganz anderen Schwierigkeiten stehen als es Privatpersonen tun. Mittlerweile ist die Normalität im Haus Jaro größtenteils wieder eingekehrt. Es gelten zwar die alten Öffnungszeiten, die geregelte Alkoholausgabe jedoch gibt es weiterhin, denn die „Kontrolle“ über den Konsum der Klient*innen erzielte Erfolge.

Beitragsbild: „Leave no one behind“ by 7C0 is licensed under CC BY 2.0.

Quellen:

https://www.moment.at/story/was-corona-fuer-obdachlose-menschen-bedeutet

https://www.caritas-wien.at/haus-jaro

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/chronik/wien-chronik/2086426-Die-haerteste-Zeit-des-Jahres.html