Wieso der Begriff „taubstumm“ nicht mehr verwendet werden soll

Straßenschild Taubstummengasse in Wien mit zusätzlichem Erklärungsschild zum Begriff

Anfang Mai wurde an der Taubstummengasse im 4. Bezirk Wieden das Straßenschild durch ein zusätzliches Erklärungsschild zum Begriff „taubstumm“ ergänzt. Dieses Wort ist nämlich schon lange veraltet und sollte nicht mehr gebraucht werden. Gehörlose Menschen sind zwar taub, jedoch auf keinen Fall stumm.

Das Wort „taubstumm“ wurde ursprünglich als Bezeichnung für gehörlose beziehungsweise taube Personen verwendet. Heute gilt der Begriff als Diskriminierung, denn auch taube Menschen können sprechen. Die meisten von ihnen kommunizieren in Gebärdensprache – in Österreich ist das die sogenannte ÖGS (Österreichische Gebärdensprache). Manche können mit Hilfe eines Cochlea Implantats sogar die Lautsprache verstehen und sprechen lernen.

Infobox ÖGS
Die Österreichische Gebärdensprache ÖGS ist eine linguistisch vollwertige und eigenständige Sprache. Seit 2005 ist die im Bundesverfassungsgesetz offiziell als Sprache anerkannt. Was viele nicht wissen: Jedes Land hat eine andere Gebärdensprache. Innerhalb eines Landes gibt es zudem – genau wie in der Lautsprache – regional unterschiedliche Dialekte.

Initiative Erklärungsschild an der Taubstummengasse

Seit 2008 hängt an der U-Bahn-Station Taubstummengasse ein größeres Plakat, welches den Namen der Haltestelle erklärt. Vor rund zwei Jahren hat NEOS Wieden ein zusätzliches Erklärungsschild für die Straßenbeschriftung gefordert. Das Ziel der Initiative: eine Kontextualisierung des Begriffs „taubstumm“. Ana Badhofer, Klubvorsitzende der NEOS Wieden und Initiantin dieser Aktion, meinte im Interview mit Goschat: „Wir wollten mit einer weiteren Tafel erstens Fußgänger*innen erreichen und zweitens sicher gehen, dass nicht nur der Name der U-Bahn-Station erklärt wird, sondern vor allem auch der Straßenname.“

Plakat bei der U-Bahn-Station Taubstummengasse

Aufklärung statt Umbenennung

Die Taubstummengasse wurde im Jahr 1779 von Joseph II. nach dem Taubstummeninstitut im 4. Bezirk benannt. Jedoch kommt diese Information beim alleinigen Hören oder Sehen des Straßennamens nicht hervor. Deswegen war eine Umbenennung der Straße in diesem Fall weniger wichtig als die Kontextualisierung des Begriffs, wie uns Badhofer im Interview erklärt. „Wir wollten durch eine Aufklärung gezielt einen Lerneffekt erreichen“, so Badhofer.

Handlungsmöglichkeiten im Alltag

Doch was kann man als einzelne*r Bürger*in im Alltag tun, wenn man jemanden hört, der den Begriff verwendet? Egal ob am Esstisch, in der Universität oder auf Social Media – es ist wichtig, das Thema sofort anzusprechen und zu erklären, weshalb dieser Ausdruck nicht verwendet werden soll. Zudem rät Badhofer sich selbst mehr mit dem Thema auseinander zu setzen, denn „wer selbst viel weiß, kann sensibler auf das eigene Umfeld eingehen. Und hoffentlich können wir mit der Erklärungstafel an der Taubstummengasse ein Stück weit dazu beitragen“, so Badhofer.

Porträt von Ana Badhofer, Klubvorsitzende der NEOS Wieden

Ana Badhofer

Ana Badhofer ist seit 2016 Mitglied der NEOS Wieden. Damals war sie ehrenamtlich für die Partei tätig. Im Oktober 2020 wurde sie zur Bezirksrätin im 4. Bezirk gewählt und ist seither Mitglied des Finanzausschusses und der Sozialkommission. Seit Anfang 2022 hat Badhofer den Klubvorsitz der NEOS Wieden übernommen. 

Quellen:

https://www.oegsdv.at/web/gebaerdensprache/

https://www.meinbezirk.at/wieden/c-politik/neue-powerfrau-an-der-neos-spitze-auf-der-wieden_a5115019

Titelbild, Bild v. Plakat: eigene Aufnahme

Portrait Ana Badhofer: Ines Gadermaier