Vergangenen Samstag fand das Finale des 66. Eurovision Song Contests in Turin statt. Eigentlich sehen die Regeln des ESC ein Verbot politischer Aktionen vor, doch dieses Wochenende zeigte abermals, dass die Veranstaltung nicht ganz so unpolitisch ist, wie in der Theorie geschildert.
Nach dem Ausschluss Russlands aus dem von der European Broadcasting Union (EBU) veranstalten Wettbewerb, wurden auch die Spekulationen rund um einen möglichen Sympathiesieg der Ukraine in den Tagen vor dem Finale immer lauter. Nun ist es offiziell: Gewinner des ESC 2022 ist die ukrainische Band „Kalush Orchestra“. Mit dem klaren Ausgang des Contests hat Europa nun auch hier deutlich politisch Stellung im Ukraine-Krieg bezogen.
Nicht zum ersten Mal weist der Songcontest eine klar erkennbare Politisierung auf. Beispielsweise auch infolge der Krim-Annexion 2014 und den darauffolgenden politischen Spannungen gewann 2016 die ukrainische Teilnehmerin Jamala mit „1944“ den ESC in Stockholm. Mit dem Lied verwies sie damals bewusst auf das Jahr 1944, in dem die tatarische Bevölkerung durch einen Befehl Stalins deportiert und das Gebiet durch Russen neu angesiedelt wurde.
Austragungsort der Veranstaltung ist für gewöhnlich immer das Gewinnerland des Vorjahres. Dementsprechend würde das bedeuten, dass der Eurovision Song Contest nächstes Jahr in der Ukraine stattfinden sollte. Dies könnte jedoch angesichts des Krieges und dessen Folgen schwierig werden, denn große Veranstaltungen sind – solange im Land Kriegsrecht gilt – verboten. Die Veranstalter versicherten eine passende Lösung zu finden und auch der ukrainische Präsident Selensky meldete sich zu Wort und zeigte keine Zweifel daran nächstes Jahr stolzer Gastgeber zu sein.
„Unser Mut beeindruckt die Welt, unsere Musik erobert Europa! Im nächsten Jahr empfängt die Ukraine den Eurovision! Zum dritten Mal in unserer Geschichte.“
Wolodymyr Selensky über Telegram
Mehrere Länder haben seit dem Finale ebenfalls angeboten, den Songcontest 2023 anstelle der Ukraine auszutragen. So zum Beispiel Großbritannien, welches am Samstag mit Sam Ryders „Space Man“ den zweiten Platz erreichte. Aber auch aus Spanien und Schweden kamen schon erste Zeichen, nächstes Jahr Gastgeber des ESC sein zu wollen.
Trotz aller Diskussionen rund um den Ausgang der eigentlich als unpolitisch betitelten Veranstaltung, darf hier die musikalische Leistung nicht ganz außer Acht gelassen werden. Die Ukraine lag nämlich schon vor der Invasion durch Russland und der damit einhergehenden medialen Präsenz mit Blick auf die Wettquoten klar in den Top 5. Obgleich der derzeitigen politischen Lage und der dadurch generierten Aufmerksamkeit, darf der Ukraine also in diesem Finale keineswegs ein verdienter Erfolg oder gar der Sieg abgesprochen werden.
Beitragsbild: © EBU/ CORINNE CUMMING
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