Corona

Unterwegs im Van: Paar erlebt neue Freiheit in griechischer Corona-Isolation

Stefanie und Jeremy fühlen sich überall dort zuhause, wo sie mit ihrem ausgebauten Kleinbus namens Olaf gerade Station machen. Ende 2019 hat das Schweizer Paar hinter dem YouTube-Kanal Olaf in a Van die Sesshaftigkeit aufgegeben. Seitdem lebt es das „Van Life“ (Busleben) und ließ sich auch von der Corona-Ausgangssperre nicht ausbremsen. goschat! gaben die beiden ein Exklusiv-Interview.

g!: Wie hattet ihr euch eure Tour mit dem Van vorgestellt?

Stefanie: Wir haben den Bus in neun Monaten ausgebaut. Im November sind wir in zwei Wochen von der Schweiz bis nach Griechenland durchgefahren, um Weihnachten am Strand zu verbringen und dort zu überwintern.

Jeremy: Danach sollte es eigentlich quer durch Europa gehen. Wir hatten nicht damit gerechnet, coronabedingt so lange in Griechenland zu bleiben, aber wir waren von Griechenland sehr positiv überrascht, kulturell wie wettertechnisch – wir hatten einen super milden Winter.

g!: Wann und wie habt ihr von COVID-19 erfahren? Was passierte dann?

Stefanie: Gegen Mitte März war eigentlich geplant gewesen, nach Italien überzusetzen.

Wir haben seit Januar immer wieder zwischendurch was aufgeschnappt, haben es aber zu Beginn nicht wirklich ernst genommen.

Stefanie

Jeremy: Erst als sie in Griechenland den Karneval und dann Ostern abgesagt hatten, wurden wir hellhörig. Ostern ist bei den Griechen das Highlight des Jahres. Heiliger als Weihnachten.

Stefanie: Wir haben ziemlich schnell das Angebot von Freunden erhalten, die drohende Ausgangssperre in ihrer Ferienwohnung zu verbringen. Noch am selben Abend haben wir unsere Sachen gepackt und sind dann innerhalb von zwei Tagen durchgefahren. Etwa 900 Kilometer von Koroni nach Thessaloniki.

Jeremy: (lacht) Kaum sind wir angekommen, am 18. März, haben sie schon verlautbaren lassen, dass die Ausgangssperre in den nächsten Tagen kommen wird. Die Griechen waren mitunter die Schnellsten, die da reagiert haben. Auch die Bevölkerung hat, sagen wir größtenteils, sehr gut mitgemacht. Dadurch konnten die Griechen auch relativ früh, am 4. Mai, die Ausgangssperre im Landesinneren wieder aufheben.

Die Griechen haben deswegen so früh reagiert, da sie aufgrund der Schuldenfrage in Europa die Intensivbetten in den Spitälern abbauen mussten. Ein Viertel der griechischen Bevölkerung gehört zur Risikogruppe.

Stefanie

g!: Wo und wie habt ihr die Zeit der Ausgangssperre verbracht?

Jeremy: In einem kleinen Dorf außerhalb von Thessaloniki, mit ganz wenigen, älteren Einwohnern. Also, praktisch in kompletter Quarantäne und Isolation.

Stefanie: Was auch sein musste, da die Polizei kontrollierte. Wer sich unbegründet draußen aufgehalten hat, wurde mit 150 Euro gebüßt.

g!: Inwiefern war es eine besondere Herausforderung, die Quarantänezeit in Griechenland zu verbringen?

Stefanie: Zuhause in der Schweiz haben wir gewusst, wo wir was einkaufen müssen, um eine vollwertige pflanzliche Ernährung beibehalten zu können. Insbesondere haben wir viel Tofu, Sojaprodukte, vegane Joghurts und pflanzliche Milch konsumiert. Hier mussten wir die griechische Essenskultur erst kennenlernen. Die Griechen haben weniger pflanzliche Ersatzprodukte, holen aber auf, und haben den Schwerpunkt auf einer fleischlastigen Ernährung. Sie fasten jedoch sehr viel, da die Mehrheit griechisch-orthodox ist, und haben daher ein großes pflanzliches Nahrungs- und Rezeptangebot. Wenn man das weiß, kann man sich an den Grundnahrungsmitteln orientieren.

Jeremy: Der einzige Laden, der unsere gewohnten Produkte hatte, war 20 Kilometer weit weg. Deshalb sind wir in den drei Monaten zweimal dorthin einkaufen gegangen und den Rest davon in den kleinen Tante-Emma-Laden des Dorfes. Das Angebot da war sehr rudimentär.

Wir waren die drei Monate wirklich praktisch nur drinnen. Vielleicht mal kurz im Garten Sonne tanken und dann nach zwei, drei Mückenstichen wollte man wieder rein.

Jeremy

g!: Wann konntet ihr eure Reise fortsetzen?

Stefanie: Wir hatten auf unsere bestellte Drohne warten müssen. Deshalb war es erst am 12. Juni soweit.

Als wir losfuhren, war Griechenland leer. Die einzigen Leute unterwegs sind natürlich die Griechen selber und ein paar Touristen der Nachbarstaaten. Wir können jetzt die Zeit genießen, weil eine solche Ruhe auf den Straßen und an den Stränden herrscht.

Stefanie

g!: War es rückblickend eine gute Idee, die Reise nicht abzubrechen, sondern das Ende der Ausgangssperre in Griechenland abzuwarten?

Jeremy: Wir sind in unserem Van zuhause. In der Schweiz haben wir zwar Freunde und Verwandte, wohnen da aber nicht mehr.

Stefanie: Ja, wir sind mit dem Ziel aufgebrochen, unser Leben zu verändern mithilfe dieser Reise. Unser Mindset ein wenig zu überdenken und einfach Neues kennenzulernen. Daher war es für uns nicht so schlimm, in der Ausgangssperre festzusitzen. Wir kennen viele, die ihre Reise abgebrochen haben und für die Heimreise einen Riesenaufwand betreiben mussten, mit den Fähren, den Konsulaten und den Grenzposten. Wahnsinnig nervenaufreibend. Deswegen sind wir froh gewesen, dass wir die Zeit einfach absitzen konnten.

Jeremy: Wir haben ja weitergelebt und weiter gearbeitet. Die Ausgangssperre hat uns wirklich gut getan, weil wir durch die Ferienwohnung komplett unabhängig von Solarstrom und Fließendwasser waren. Wir konnten uns endlich einmal hinsetzen, Liegengebliebenes abarbeiten und neue Pläne schmieden. Wir haben vor sechs Monaten einen Youtube-Kanal gestartet, da ich das Videoschneiden für mich entdeckt habe. Wir versuchen uns auch verschiedene Standbeine aufzubauen – sei es Stefanie mit der Ausbildung zur pflanzlichen Ernährungsberaterin, Schmuckherstellerin oder Texterin, oder ich als Musiker und Videograf. Ich bin auch gelernter Informatiker. Wir können vieles. War es rückblickend eine gute Idee, das abzuwarten? Ja, total.

Stefanie: Definitiv! Es hat sich echt gelohnt.

g!: Danke für das Interview!

Fotos © Olaf In A Van

Sabine Tautermann

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Sabine Tautermann

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