Die Corona Krise wirft in vielen Gebieten Fragen und Unstimmigkeiten auf, doch bei einem sind sich die Österreicherinnen und Österreicher einig: Die Maßnahmen der Regierung für die Eindämmung des Virus sind die richtigen. Der massive Rückgang der Neuinfektionen stützt die Meinung. Selten konnte eine österreichische Regierung bei Meinungsumfragen so gute Werte erzielen, die Selbstsicherheit von Kanzler Kurz in der Krise beruhigt und fördert das Vertrauen. Doch bei all dem Lob sollte man als mündiger Bürger auch nicht vergessen manche Entscheidungen kritisch zu hinterfragen.
Schlampig formulierte Verordnungen, juristisch nicht einwandfreie oder sogar verfassungswidrige Gesetze sowie Erlässe, die dringend demokratische und rechtsstaatliche Abwägung erfordern prägen den juristischen Diskurs in Zeiten von Corona. Kurz spricht in einem Interview mit Armin Wolf von „juristischen Spitzfindigkeiten“, für die jetzt doch keine Zeit bleibt, an erster Stelle steht schnelles Handeln. Doch kann man in einem demokratischen Rechtsstaat wie Österreich wirklich von juristischen Spitzfindigkeiten sprechen, wenn es um Notstandsgesetze- und Erlässe geht, die einen Großteil der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechte aushebeln? Kritische Stimmen werden diesbezüglich immer lauter, Juristen verlangen Klärung. Die Einschränkungen und Gesetze wurden vorgebracht, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und die bekannten Risikogruppen zu schützen. Dies sollte allerdings nicht bedeuten, dass schwammige und unklare Formulierungen, sowie undurchsichtige Sammelgesetze damit sofort gerechtfertigt sind. Es ist abzuwägen, inwieweit Grundrechte eingeschränkt werden dürfen für den Schutz der Allgemeinheit. Natürlich handelt es sich bei der Corona Pandemie beziehungsweise beim Umgang mit dieser um eine sehr komplexe Materie, da können schnell Fehler passieren. Die Frage ist nur: Wie wird im Nachhinein mit diesen umgegangen? Gesundheitsminister Anschober hat nun nach einigen Beschwerden beim Höchstgericht angekündigt, dass grenzwertig anmutende Maßnahmen gemeinsam mit Juristen bereinigt werden sollen. Die Regierung nimmt die Kritik aus der Bevölkerung also durchaus ernst.
Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten müssen wir in Österreich also wahrscheinlich keine Angst haben, dass die Notsituation für ein aushebeln des demokratischen Systems genutzt wird. Anders sieht dies zum Beispiel in Ungarn aus. Premierminister Viktor Orbán nutzte dort die Krisenstimmung sofort, um ein neues Notstandsgesetz vorzubringen, welches es ihm auf unbegrenzte Zeit ermöglicht per Dekret zu regieren, Wahlen werden ausgesetzt. Die Europäische Union sieht diesen Entwicklungen kritisch entgegen, auch weil sie zu „Nachahmern“ führen könnten. Derzeit läuft ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren aufgrund des Gefährdens von EU-Grundwerten gegen Ungarn.
Das Positive zwischen „juristischen Spitzfindigkeiten“ und der Einschränkung von Grundrechten: die Maßnahmen zeigen Wirkung, die Infektionen gehen zurück. Am 4. April überstieg die Zahl der neuen Genesenen erstmals die Zahl der Neuinfektionen des Tages. Nun sollen nach und nach Betriebe wieder geöffnet werden, zunächst nur kleinere Geschäfte (bis 400 Quadratmeter) sowie Bau- und Gartenmärkte, ab 1. Mai dann größere Geschäfte, Einkaufszentren und Friseure. Der Weg zurück in die Normalität wird also Schritt für Schritt geebnet, bleibt nur zu hoffen, dass wir die einschränkenden Gesetze und Verordnungen gemeinsam mit der Corona Krise hinter uns lassen können
Foto: Justitia by Tim Reckmann, CC BY 2.0
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