Neben dem amtierenden Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit seiner Partei AKP standen noch fünf weitere Kandidaten zur Auswahl.
Selahattin Demirtaş (HDP) – der seit 2016 in Untersuchungshaft sitzt – versuchte nach der Niederlage bei der Wahl 2014 erneut sein Glück. Meral Akşener ging mit İyi Parti als einzige Frau ins Rennen. Den Kandidaten Temel Karamollaoğlu (Saadet Partisi) und Doğu Perinçek (Vatan Partisi) wurde von Anfang an keine großen Chancen zugeschrieben. Die Oppositionspartei CHP konnte sich mit Kandidat Muharrem İnce die größten Hoffnungen auf einen guten Wahlausgang machen.
Noch bevor alle Stimmen ausgezählt waren, verkündet Recep Tayyip Erdoğan am späten Sonntagabend seinen Sieg. In den frühen Morgenstunden ist es offiziell. Erdoğan hat die absolute Mehrheit und wird mit 52,54 Prozent erneut zum türkischen Präsidenten gewählt.
Sein Rivale Muharrem İnce (CHP) erreicht immerhin 30,7 Prozent. Alle anderen Kandidaten sind weit abgeschlagen.
Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu lag die Wahlbeteiligung in der Türkei bei rund 87 Prozent.
In Österreich leben rund 100.000 türkische Staatsbürger die wahlberechtigt sind. Die Wahlbeteiligung soll aber nur bei 50 Prozent liegen. Auch die Austro-Türken haben Recep Tayyip Erdoğan auf Platz 1 gewählt – allerdings mit noch mehr Vorsprung. Stolze 72 Prozent der Wähler haben den amtierenden Präsidenten ihr Stimme gegeben.
Deutschland ist ebenfalls von Erdoğan überzeugt. Rund 65 Prozent der 1,44 Millionen Wahlberechtigten haben ihn gewählt. Auch hier liegt die Wahlbeteiligung bei ungefähr 50 Prozent.
Frankreich, Belgien, die Niederlande und die Schweiz haben es Österreich gleich gemacht und auch überwiegend für Recep Tayyip Erdoğan gestimmt.
Nachdem Erdoğan seinen Sieg bekanntgegeben hat, haben am Sonntagabend 200 Türken in Wien-Favoriten zusammen auf den Straßen gefeiert. Auch vor der türkischen Botschaft haben sich einige Erdoğan-Anhänger versammelt. Polizeikräfte waren Vorort, die Lage war allerdings recht friedlich.
Es gibt nur zwei Meinungen zu Recep Tayyip Erdoğan. Entweder man liebt ihn oder man hasst ihn. Doch wie stehen die in Österreich lebenden Türken dazu?
„Erdoğan ist einfach der Beste. Er ist ein König und das sieht auch die Mehrheit so“, sagt Mehmet.
Ömer teilt diese Meinung: „Er liebt sein Land. Die Türkei und die Bevölkerung sind ihm wichtig. Erdoğan ist das Beste was der Türkei passieren kann.“
Auf die Frage warum Ömer aber in Österreich lebt, antwortet er: „Es ist halt so. Das hat niemanden zu interessieren.“
Zeynep ärgert sich über das Image, das Erdoğan im Ausland hat: „Alle sagen immer: Er ist ein Diktator. Aber das ist er nicht. Warum glauben das alle? Nur weil er stolz auf die Türkei ist?“
„Unser Präsident ist doch kein Diktator. Die Leute haben ihn ja gewählt. Es gibt einfach keinen besseren als Erdoğan. Er bringt die Türkei ganz nach oben.“
sagt Mustafa.
Obwohl der Präsident in Österreich die Mehrheit erreicht hat, gibt es auch hier Erdoğan-Gegner.
„Ich versteh nicht wie die Leute ihn wählen konnten. Das ist ein schwarzer Tag für die Türkei“, sagt Aylin.
Rabia drückt es noch eindeutiger aus:
„Alle, die diesen Diktator Erdoğan gewählt haben, sollen wieder zurück in die Türkei. Was wollen sie hier im schönen Österreich, wenn sie Erdoğan so vergöttern?“
Hakan hat eine ganz klare Meinung: „Ich hab gar nicht gewählt. Wir sind nach Österreich gekommen, weil wir in der Türkei nicht glücklich waren. Ich lebe hier, mich geht die Türkei nichts mehr an.“
Für die Partei AKP hat es nicht zur absoluten Mehrheit gereicht. Sie soll laut den ersten Berichten nur auf 42 Prozent kommen. Wie gut, dass die AKP Anfang des Jahres ein Bündnis mit der rechtsextremen Partei MHP eingegangen ist. Durch den Zusammenschluss nehmen diese beiden Parteien gemeinsam mehr als die Hälfte der Plätze im Parlament ein.
Mit diesen Wahlen tritt die 2017 beschlossene Verfassungsreform in Kraft. In der Türkei herrschte bis jetzt parlamentarische Regierungssystem. Mit dem Sieg Erdoğans wechselt die Regierungsform nun zum präsidentiellen. Das Parlament verliert also politisch an Bedeutung, stattdessen wird dem Präsidenten durch diverse Gesetzesänderungen mehr Macht zugesprochen.
Kritiker warnen nun von einer Diktatur. Recep Tayyip Erdoğan kann ab jetzt fast alles selbst entscheiden. Er benötigt die Unterstützung des Parlaments nicht mehr – obwohl seine Partei dort auch die Mehrheit bildet.
Bleibt abzuwarten ob und wie der wiedergewählte Präsident Erdoğan seine neue Macht ausnützt.
Beitragsbilder:
Recep Tayyip Erdoğan by kremlin.ru, CC BY 4.0
Spazieren in Wien by Michael Gubi, CC BY-NC 2.0
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