„Sie wollen dir nicht helfen, aus Angst dabei etwas zu verlieren“
Die Sonne scheint hell in den kleinen Garten, hinter dem Wohnblock im 10. Wiener Gemeindebezirk. Amin begrüßt mich freudestrahlend mit einem: „Hey, lang nicht g’sehn, wie geht’s da?“ und bietet mir einen Gartenstuhl und ein Glas Eistee an. Der Beginn unseres Gesprächs verläuft noch recht locker. Amin plaudert munter über sein Studium, während seine kleine Schwester Zedra* auf seinem Schoß herumturnt und mir in einwandfreiem Wienerisch erzählt, was sie heute in der Schule gelernt hat. Die Stimmung wirkt friedlich und entspannt, doch der Schein trügt: Amins Familie wird von großen Sorgen geplagt.
Mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert
„Damals, als ich in die Schule gekommen bin, waren wir vielleicht fünf oder sechs Kinder mit Migrationshintergrund. Wenn ich mir da Zedras Klasse anschau, ist das echt schon was anderes. Aber hilft ja nichts, auch wir Migranten-Kinder müssen was lernen.“ Er lacht kurz. „Aber mal im Ernst, ich bekomm das so oft zu hören:
„Scheiß Ausländer, geh arbeiten!“ hier, „Scheiß Ausländer, lern mal was!“ da… und wenn du’s dann machst und schaust, dass du was hackelst und Deutsch lernst und studieren gehst, sagen sie, dass du ihnen was wegnimmst.
Und genau so geht’s den Leuten, die in den letzten Jahren nach Österreich gekommen sind. Klar, irgendwer soll denen helfen, weil die kommen aus dem Krieg und haben nichts. Aber am besten jemand anders, nicht wir Österreicher. Wenn ich in den letzten zwei Jahren eines gelernt habe, dann das. Sie wollen dir nicht helfen, aus Angst dabei selbst etwas zu verlieren.“
Gut integrierte Migranten nicht sicher
Auch das geplante neue Asylgesetz macht vor allem Amins Eltern zu schaffen: „Wir wissen nicht, was es für uns bedeutet. Uns hat die Info erreicht, dass alle unbefristeten Aufenthaltsbewilligungen neu überprüft werden können. Und du glaubst vielleicht als gut integrierte Migrantenfamilie, die seit zwanzig Jahren da lebt bist du aus dem Schneider.
Ich mein, ja, sollen sie ruhig die Leute zurückschicken, die nur hier sind um Blödsinn zu machen und tatsächliche Straftaten begehen. Aber wen schieben sie ab? Die gut Integrierten.
Vor einem halben Jahr wurde die halbe Familie von einem guten Freund von mir zurück nach Syrien geschickt.“ Er schaut traurig zu Boden. „Überlebt haben’s zum Glück eh die meisten. Aber nicht alle.“
„Wenn du Ausländer bist, hast du verloren.“
Amin gibt mir einen kurzen Einblick, in sein Bild von der neuen Schwarz-Blauen Regierung: „Ich verstehe, dass sie etwas tun müssen. Aber ich versteh nicht, warum das Ganze so willkürlich passiert. In meiner Arbeit mit Flüchtlingen gibt es so viele, die sich echt Mühe geben und Willen zeigen, sich hier eine neue Heimat aufzubauen, aber nichtmal die bekommen eine Chance. Wenn du Ausländer bist, hast du verloren. Mit Fremdenfeindlichkeit musste ich schon immer zurechtkommen aber was heutzutage abgeht und was sich die Leute herausnehmen, ist echt nicht okay.“
Kein Kontakt zur Heimat
Gegen Ende des Gesprächs wird die Stimmung zunehmend ernster. Ich habe Amin nach seiner Familie gefragt, ein wunder Punkt, wie er mir erklärt: „Wir haben jetzt seit zwei Wochen nichts mehr von ihnen gehört. Das letzte was ich weiß ist, dass mein Cousin versucht hat, ein Flugzeug nach Chisinau zu nehmen. Er hat Freunde dort.“ Der Großteil von Amins Familie lebt noch immer in einer kleinen Stadt in der Nähe von Damaskus in Syrien. Vor etwa drei Jahren wollten sie ihre Verwandten besuchen. „Da hat man uns gesagt, wenn wir nach Syrien fliegen kann es sein, dass wir nicht mehr zurückkommen dürfen. Dabei wollte ich doch nur einmal in meinem Leben meine Großeltern sehen und dorthin, wo meine Wurzeln sind.“
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Als wir uns verabschieden meint Amin noch: „Schau, ich weiß nicht was die Zukunft bringt, ich hoff nur, dass die Menschen sich daran erinnern, warum sie Menschen heißen. Menschlichkeit wird heutzutage immer weniger aber ich hab die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Leute wieder zu ihr zurückfinden und merken, dass sie durch das Helfen anderer, nichts verlieren, sondern dass es ihnen, genau wie mir, extrem viel geben kann.“