Eine ganze Generation stellte 1968 die gesellschaftlichen Verhältnisse und das traditionelle Familienbild in Frage. Veraltete Strukturen aus der Nazizeit sollten aufgebrochen werden, um einen tiefgreifenden Wertewandel zu bewirken. Unsere heutige Lebensweise beruht zu einem großen Teil auf genau diesen Ideen der 68er-Revolution. Doch wie sah der Alltag der Menschen vor der radikalen Veränderung der Lebensverhältnisse aus?
Besonders die Situation der Frau in der Gesellschaft erlebte einen großen Wandel. In den 50er- und 60er-Jahren zählten die Kindererziehung und Haushaltsarbeiten zu den führenden Aufgaben im Leben einer Frau. Gleichberechtigung gab es nicht – der Mann sollte arbeiten und die Familie ernähren, während die Frau zuhause bei den Kindern blieb.
Frauen waren damals erst von ihren Eltern, dann vom Ehemann abhängig. Heirat und Arbeit mussten von den Eltern der Frau abgesegnet werden. Mit einer Ehe begab sich die Frau dann in die Abhängigkeit ihres Mannes. Die Aufgabe der Frau war es, sich um ihren Mann zu kümmern und ihn nach einem anstrengenden Arbeitstag zu verwöhnen. Der Mann gab der Frau ein bestimmtes Haushaltsgeld, das sie frei zur Verfügung hatte. Jeder weitere Betrag, der ausgegeben wurde, musste vom Mann genehmigt werden.
Nur die wenigsten Frauen studierten oder arbeiteten in dieser Zeit. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch von 1958 besagte der § 1356 Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit, dass die Frau ihren Haushalt in eigener Verantwortung zu führen habe. „Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, so weit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ Frauen sollten also nur dann arbeiten, wenn sie gleichzeitig ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter gerecht werden konnten.
Ingrid Petersen begann 1960 in München Jus zu studieren und war damit eine der wenigen Frauen an der Universität. „Wir waren damals eine völlige Minderheit im Studium. Man hat deutlich zu spüren bekommen, dass man als Frau zweitrangig ist. Frauen wurden an den Universitäten erst dann angenommen, wenn jeder männliche Student den gewünschten Studienplatz hatte.“
Ihre Mutter war modern und hat ebenfalls studiert, sodass es für sie selbstverständlich war, ihrer Tochter dieselben Rechte wie ihrem Sohn zu gewähren. „Im Bekanntenkreis war ich die Einzige, die einen Beruf hatte. Selbst mit einem abgeschlossenen Studium oder einer Ausbildung sind die meisten Frauen zuhause bei den Kindern geblieben und haben sich gegen eine Karriere entschieden“, so Ingrid Petersen. Das Motto sei gewesen: „In unseren Kreisen arbeitet man als Frau nicht.“ Eine arbeitende Frau erweckte damals den Anschein, ihr Mann könne sie nicht versorgen.
„Man kann sagen, dass die 68er uns die Freiheit gebracht haben. Danach hat sich vieles für uns Frauen grundlegend geändert.“
Bis weit in die 1970er-Jahre brauchte eine Frau die schriftliche Zustimmung ihres Ehemannes, um einen Job anzunehmen. Erst 1977 wurde der § 1356 BGB angepasst und lautete: „Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im eigenen Einvernehmen. (…) Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein.“
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