Greißler kontra Supermarkt – war früher alles besser?
War früher alles besser? Dieses Jahr wird ein ganz besonderes Jubiläum gefeiert: 50 Jahre 1968. Die 68er-Bewegung gilt als gesellschaftlicher, politischer und sozialer Wendepunkt und sorgt auch in der heutigen Zeit noch für Diskussionen: War sie entscheidend für den Weg in die moderne Gesellschaft? Oder hat die Revolution Wertverlust und den Zerfall familiärer Strukturen bewirkt?
Margret T. begann 1959 ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau, in einer Greißlerei in Großhaselbach. Laut der Seniorin war damals das Einkaufen noch ein richtiges Erlebnis. Die Kunden kamen dabei meist täglich, um sich über Neuigkeiten zu informieren und Dinge zu besorgen, die sie gerade brauchten. Heute jedoch hat niemand mehr Zeit für entspannte Einkäufe, denn alles muss schnell gehen. Viele hetzen sich durch die riesigen Supermärkte, greifen nach den wichtigsten Produkten und bezahlen seit neuestem auch an der Selbstbedienungskasse. Vom damaligen Einkaufserlebnis, mit Kundenkontakt, Kostproben und Tratscherl, fehlt dabei jedoch jede Spur.
Sonntagsöffnung
Heute heftig diskutiert aber früher gang und gäbe – die Sonntagsöffnung der Supermärkte. In Wien gerade mal an ein paar Bahnhöfen umgesetzt, war es in den 60-igern noch kein Thema. Ab sieben Uhr morgens stand Margret meist im Geschäft, geschlossen wurde jedoch oft erst spät, da die Bauern häufig nach der Feldarbeit noch Einkäufe tätigen wollten. Um auch sonntags Ware anzubieten, wurde nach der heiligen Messe die Hintertüre des Geschäftes geöffnet. Der Sonntag zählte dabei zu den wichtigsten Verkaufstagen, weshalb Magret auch an diesem Tag arbeiten musste. Sie erinnert sich, dass sie jeden Sonntag für zwei Stunden unbezahlt im Greißler stand. Im Gegenzug dazu erhielt sie, von ihrem Chef, meist ein Packerl Schnitten oder auch mal ein Eis. Keiner schrie nach dem Gesetz, es wurde einfach gemacht.
Regionalität und Nachhaltigkeit
Die Greißler erzielten schon damals genau das, was heute wieder angestrebt wird. Faire, verpackungsfreie Produkte aus der Region. Außerdem war man noch weit entfernt von der heutigen Wegwerfkultur, denn vom Ablaufdatum war in den 60er Jahren noch keine Rede. Zu der Frage wie dies überhaupt möglich gewesen sei, antwortete die Seniorin:
„Es gab eben nur ein kleines Lager, somit ist nichts abgelaufen und außerdem hat man sowieso nicht so genau darauf geachtet.“
Produkte wie Mehl, Zucker, Reis und Salz befanden sich in, mit Keramikschildern, beschrifteten Laden. Der Inhalt wurde je nach Bedarf abgefüllt, abgewogen und verkauft. Auch Süßigkeiten wurden lose angeboten und anschließend in ein Papierstanitzel gefüllt. Marmelade wurde kiloweise, in fester Form in einer Holzkiste mit Pergamentpapier geliefert und anschließend je nach Bedarf portioniert. Auch bei der Körperhygiene wurde auf Plastik verzichtet. Die sogenannte Kernseife wurde in Kisten mit 100 Stück geliefert und einzeln, in Zeitungspapier, verkauft.
Sortiment
Der Greißler konnte ein breites Sortiment anbieten. Es reichte von Lebensmitteln, Textilwaren, Nägel, Glühbirnen über Spielzeug bis hin zu Zigaretten. „Es gab nicht viel, jedoch von überall ein bisserl was“ , erinnert sich Magret T. Bei den Zigaretten konnte man zwischen den C – ohne Filter oder den damaligen Zweiern wählen. An einen Spruch erinnert sich die Seniorin dabei auch heute noch ganz genau:
„Zehn Zwarer fürn Herrn Pfarrer.“
Denn die Ministrantinnen und Ministranten holten nach der Messe stets die Zweier-Zigaretten für den Pfarrer ab.
Früher war alles anders
Auf die Frage ob nun früher alles besser war antwortete Magret T., dass es eben anders war und in mancher Hinsicht sicherlich auch besser.
„Damals gab es eben nur eine kleine Auswahl, man musste sich beispielsweise nicht zwischen 20 verschiedenen Joghurts entscheiden. Das hat uns sicherlich einiges erleichtert.“