Unbezahltes Praktikum – Wer soll sich das leisten?
In wenigen Wochen beginnen in ganz Österreich wieder die Sommerferien. Tausende von Schüler*innen und Student*innen nutzen die freie Zeit, um erste Berufserfahrung zu sammeln. In vielen Betrieben werden deshalb für junge Berufseinsteiger*innen unbezahlte Praktika angeboten. Doch hat diese Anstellungsform überhaupt ihre Berechtigung oder handelt es sich hierbei schlicht um Ausbeutung?
Die Situation am Arbeitsmarkt ist besonders für junge Berufseinsteiger*innen nicht einfach. Auch mit einem Universitätsabschluss ist ein sicherer und gut bezahlter Arbeitsplatz nicht mehr garantiert. Das Zauberwort lautet in diesen Zeiten: Berufserfahrung! Wer außer dem akademischen Erfolg keine Kompetenzen vorweisen kann, ist klar im Nachteil. Jugendliche werden bereits im frühen Alter ermutigt, sich in den Schulferien um einen Ferialjob zu bemühen und erste Qualifikationen zu erwerben. Grundsätzlich spricht auch nichts dagegen, die Ferien für erste Erfahrungen in der Berufswelt zu nutzen und gleichzeitig das Taschengeld etwas aufzubessern. Viele Jugendliche profitieren von den neuen Erkenntnissen, die sie bei ihren anfänglichen Jobs gewinnen und erhalten hilfreiche Fähigkeiten für ihre weitere Laufbahn.
Die Situation an den Universitäten
Anders gestaltet sich dabei die Situation vieler Studierender, die auf der Suche nach Einblicken in die Praxis oft auf unbezahlte Praktika stoßen. Vor allem an Fachhochschulen wird oft in den letzten Semestern das Absolvieren eines mehrwöchige Pflichtpraktikum vorausgesetzt. Die Studierenden müssen sich selbständig einen Platz in einem Unternehmen suchen, um dort fachrelevante Berufserfahrung zu sammeln. Doch Betriebe nützen die Situation der Studierenden oft aus und lassen sie über Monate hinweg unbezahlt im Unternehmen arbeiten – und das völlig legal. Denn: Der Gesetzgeber deckt universitäre Pflichtpraktika nicht unter dem Arbeitsrecht. Rechtlich fallen diese unter das Bildungsgesetz und müssen deshalb offiziell nicht vergütet werden.
Probleme im Pflichtpraktikum
Viele Student*innen kämpfen während ihren Praktika damit ihr Leben zu finanzieren. Denn im Praktikum müssen sie oft Vollzeit arbeiten und in Folge etwaige Nebenjobs aufgeben. Wer dann nicht auf ausreichend Unterstützung durch die Eltern oder staatliche Beihilfen zählen kann, kann leicht unter die Armutsgrenze oder in die Schuldenfalle rutschen. Doch nicht nur die fehlende Bezahlung stellt für viele ein erhebliches Problem dar. Durch die fehlende Deckung durch das Arbeitsrecht ergeben sich eine Reihe weiterer rechtlicher Konflikte. Praktikant*innen müssen, sofern sie nicht über der Geringfügigkeitsgrenze von 485,85 Euro bezahlt werden, auch nicht über ihre jeweiligen Arbeitgeber*innen krankenversichert werden. Einen Anspruch auf Urlaubstage oder das 13. Und 14. Gehalt gibt es im Pflichtpraktikum ebenfalls nicht.
Medizinstudierende arbeiten oft prekär
Besonders hart treffen die fehlenden gesetzlichen Regelungen von Pflichtpraktika Student*innen an medizinischen Universitäten. Diese müssen in den ersten fünf Jahren des Studiums Praktika im Ausmaß von 12 Wochen absolvieren (die sogenannte Famulatur) und im sechsten Jahr ein neunmonatiges „Klinisch-Praktisches-Jahr“ durchlaufen. Die Famulatur wird dabei fast von sämtlichen Kliniken nicht vergütet. Im Klinisch-Praktischen-Jahr erhalten Studierende in der Regel ein geringes Entgelt von ungefähr 400 Euro monatlich. Student*innen geraten während dieser Zeit nicht selten unter massiven finanziellen Druck.
Franziska ist selbst Studentin an der Medizinischen Universität in Wien. Sie hat bereits einen Großteil der Famulatur erledigt und absolviert diesen Sommer die letzten verpflichtenden Praktikumswochen.
„Rechtlich zählen wir während der Arbeit im Krankenhaus nicht zum Gesundheitspersonal, doch ohne uns würde das Gesundheitssystem vermutlich nicht mehr tragfähig sein. Krankenhäuser sind in Österreich auf Student*innen angewiesen, die dort einen Teil ihrer Ausbildung machen müssen“, erzählt Franziska im Gespräch.
Schon jetzt macht sie sich Gedanken über das bevorstehende Klinisch-Praktische-Jahr, da sie oft von Freund*innen hört, die während dieser Zeit in prekären Verhältnissen leben und sich ihre Miete oder Lebensmittel nicht mehr alleine leisten können. „Vor allem in der Pandemie, als viele Student*innen im Klinisch-Praktischen-Jahr auf COVID-Stationen gearbeitet haben, hat sich gut gezeigt, welche enormen Probleme das System hat. Wenn Student*innen aufgrund ihrer Arbeit mit Corona infiziert wurden und in den Krankenstand gehen musste, wurde dieser nicht offiziell anerkannt und ihrer Ausbildungszeit auch nicht angerechnet. Und das alles nur, weil sie rechtlich gesehen keine regulären Mitarbeitenden sind.“
Sie selbst hat einen Teil ihrer bisherigen Praktikumswochen im Bundesland Vorarlberg verrichtet. Vorarlberg ist das einzige Bundesland in Österreich, welches für Medizinstudent*innen, die während dem Praktikum in Krankenhäusern arbeiten, ein Entgelt vorsieht. Prinzipiell steht es auch den anderen Bundesländern frei, Student*innen im Pflichtpraktikum zu bezahlen. Die meisten wollen diese Möglichkeit schlichtweg nicht nützen. So bleiben Praktika weiterhin ein Privileg für diejenigen, die es sich leisten können, mehrere Monate ohne Bezahlung zu arbeiten. Viele müssen noch weit in ihr Berufsleben hinein auf die Unterstützung ihrer Eltern zählen und sich erst einige Zeit hocharbeiten, bis sie auf eigenen Beinen stehen können.
Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber in nächster Zeit Verbesserungen für Student*innen in diesem Bereich implementiert. Von einer Regierung, die uns das berüchtigte neue Universitätsgesetz bescherte und in der Corona Zeit eher für Verwirrung als Klarheit im Schulsystem sorgte, sollten wir uns – vorsichtig ausgedrückt – vielleicht erstmal nicht zu viel erwarten.
Beitragsbild: © „Student“ by UGL_UIUC, CC BY-NC-SA 2.0