Über Stereotype und Vorurteile gegenüber anderen Nationalitäten

Im Umgang mit den anderen, insbesondere fernen, Nationalitäten tauchen viele Fragen auf,  die oft mit Stereotypen in Verbindung gebracht werden können. Prinzipiell hat jedes Land seine eigenen Stereotype über die jeweils anderen. Manchmal sind solche Klischees harmlos, dennoch können sie weiter zu Vorurteilen führen und schließlich zu  Diskriminierung.

Um herauszufinden, welche Stereotype anderen Nationalitäten typischerweise  zugeschrieben werden, hat Goschat.at Leute aus der ganzen Welt gefragt. Wir sprachen mit Khandarmaa, einer Masterstudentin der BWL aus der Mongolei, Dajana, einer Studentin der Politikwissenschaft aus Kolumbien und Sherif, einem ägyptisch-stämmigen Optiker.

Wenn man asiatisch aussieht, sind wir für die meisten einfach alle Chinesen

goschat: Ist euch das schon passiert, dass die Menschen euch etwas  fragen ausgehend von eurem Aussehen oder  der Vermutung, dass ihr aus einem fremden Land kommt?

Khandarmaa: Auf der Straße begrüßen mich die Menschen auf chinesisch oder fragen ob ich aus China komme. Wenn man asiatisch aussieht, sind wir für die meisten einfach alle Chinesen. In Asien gibt es viele Länder und meiner Meinung nach wäre es besser einfach zu fragen, aus welchem Land man kommt, statt sofort auf China zu tippen.

Sherif: Vor ungefähr 10 Jahren waren die häufigsten Fragen, ob ich aus Italien, Spanien, Afghanistan oder der Türkei komme. Heutzutage fragen viele, ob ich ein Ägypter bin.

Ob ich Drogen, vor allem „Koks“ dabei habe, werde ich oft gefragt

goschat: Wenn Leute erfuhren aus welchem Land ihr kommt, wie reagierten sie darauf?  Welche Fragen stellten sie euch? Wurden euch häufig Stereotype zugeschrieben?

Khandarmaa: Es gibt doch noch die Leute,  die wissen nicht, was für ein Land die Mongolei ist, oder wo es sich befindet. Diejenigen, die etwas gehört haben, denken zunächst an Dschingis Khan. Sie wissen über mein Land durch seine Bekanntheit. Auch kommen Fragen auf, ob die Mongolei ein Teil Chinas ist. Ich vermute, dass die Menschen, davon ausgehen, dass es in China ein Gebiet gibt, das Innere Mongolei heißt.  

Fast immer wird mein Staat mit Nomaden assoziiert. Viele glauben, dass wir den alten Lebensstil unserer Urgroßeltern noch nicht losgelassen haben und bis jetzt überwiegend in  Jurten leben und Vieh züchten. Es wird über Fernsehberichte und Filmen ausschließlich dieser Aspekt unseres Lebens übermittelt. Jedoch haben  wir auch moderne Städte, wie Ulaanbaatar und die Mehrheit der Mongolen lebt in Städten, nicht auf dem Land. Auch sagen oft viele, wenn du aus der Mongolei kommst, musst du unbedingt reiten können, aber ich kann das nicht. 

Dajana: Die häufigste Assoziierung mit Kolumbien: Super!, Schön!,  Kokain! Manchmal auch: hast du vielleicht “was” dabei? Ob ich Drogen, vor allem „Koks“ dabei habe, werde ich oft gefragt. Meistens sagen Leute das aus Spaß und ich bin auch irgendwie automatisch verpflichtet dies zu verstehen und darüber zu lächeln. Es gibt leider viele Missverständnisse über Drogenkartelle, Drogenkriege und die Drogenbekämpfung. Viele Menschen denken vielleicht, dass wir nicht unbedingt Drogen  nehmen, aber dass wir zumindest damit Geschäfte  machen. 

Auch gehen manche Leute davon aus, wenn du “Latino” bist, dann bist du offen und es bedeutet für Menschen, insbesondere für Männer, dass man automatisch für alles Mögliche zu haben ist. Sie denken, wenn ich in die Disco gehe, dann bin ich auf der Suche nach etwas. Aus solchen Stereotypen und Vorurteilen entstehen häufig Missverständnisse. 

Sherif: Heutzutage wissen die Meisten viel über Ägypten, da viele Menschen dort Urlaub machen und sich für alte ägyptische Kultur interessieren. Aber außer Pyramiden und Rotes Meer, hat Ägypten viel mehr zu bieten. Es gibt auch schöne Seen und Wasserfälle. Die Menschen erleben so wenig von Ägypten, da die meisten nur in Touristenorte fahren und nicht die Möglichkeit nutzen, das Land anderes zu bereisen.

Viele die schon einmal im Urlaub bei uns waren, sagen, dass der Umgang mit den Menschen ein wenig problematisch war. Viele fragten und warteten oft auf Trinkgeld (Bakschisch). Dies finden die Touristen nicht so schön. Aber eigentlich sind Ägypter sehr gastfreundlich, besonders auf dem Land. 

Es ist mir aufgefallen, dass viele Menschen in Österreich denken, dass Christen und Muslime in Ägypten sich gegenseitig nicht mögen, oder miteinander im Krieg sind. Es stimmt nicht. Großteils leben sie mit einander friedlich und haben keine Probleme mit anderen Religionen. 

„…ich hörte auch auf den Straßen manchmal Rufe, wie „Coronavirus!“ oder „Corona!“

goschat: Weltweit berichteten Menschen asiatischer Herkunft über  Beschimpfungen und Diskriminierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Ist  dir das  auch vielleicht passiert? 

Khandarmaa: Ganz am Anfang, vor der Quarantäne wurde überall über einen neuen Virus, der aus dem China stammt, gesprochen. Damals merkte ich, dass Leute in der U-Bahn oder Straßenbahn nicht neben mir sitzen wollen. Sie schauen mich zuerst an, dann auf den Platz neben mir und bleiben lieber stehen. Als ich während  der Quarantäne einkaufen war, sind mir die Menschen immer ausgewichen oder wechselten auf die andere Straßenseite. Ich dachte, es war in Ordnung so, da alle versuchten die Kontakte mit den anderen  zu vermeiden, aber ich hörte auch auf den Straßen manchmal Rufe, wie „Coronavirus!“ oder „Corona!“. Obwohl in Österreich die Menschen  meistens respektvoll miteinander umgehen und solch offene Diskriminierung eher selten war. Aber seitdem das Coronavirus ausgebrochen ist , bin ich oft feindselig angeschaut worden. Bis jetzt versuche ich mich in der Öffentlichkeit so wenig wie  möglich zu zeigen, da die Menschen mich weiter mit dem Coronavirus verbinden könnten.  

goschat: Jetzt umgekehrt, was wissen die Menschen in euren Herkunftsländern über Österreich?  Existieren Klischees, die man in Zusammenhang mit Österreich/ Österreicher*Innen verbinden kann? Welche Vorstellungen hattet ihr vor der Reise nach Europa? Welche Stereotype treffen zu, welche eher nicht?

KhandarmaaDie Menschen wissen kaum etwas über das Land, die jungen Menschen zumindest ein wenig, aber die alten Menschen fast gar nichts. Bevor ich nach Wien kam sah ich viele Fernsehberichte über das Land und schon damals hatte ich so eine Vorstellung, dass Österreich ein Land voller Kultur und  Kunst ist.

Dajana: In Kolumbien kennt man Österreich vor allem wegen des Rotes Kreuzes, Caritas und anderen NGOs. Man schätzt, dass in Österreich  Menschenrechte wichtig sind, vor allem, weil viele Asylsuchende aus Kolumbien in Kriegszeiten Schutz in Österreich bekommen haben

Was ich vorher nicht wusste, ist die Fremdenfeindlichkeit in diesem Land und die problematischen Beziehungen zwischen den Religionen. Integration findet nicht wirklich statt, da leider viel davon abhängt, welcher Religion man folgt. In Kolumbien macht es nicht so viel Unterschied, welcher Religion man folgt oder woher man kommt. Daher ist Religion nicht so wichtig wie in einem so konservativen Land wie Österreich.

Sherif: Obwohl viele Tourist*innen aus Österreich kommen, wissen die Einheimischen eigentlich selber wenig über das Land. Es wird wirklich kaum im Fernsehen darüber berichtet. In Ägypten lebende Freunde oder Familie fragen mich oft über Österreich und das Leben dort.

Bildnachweis: „Stereotypes“ by Pat Kight, CC BY-NC-ND 2.0