Russland: Gerät auch hier Corona außer Kontrolle?

Auf dem Bild sieht man die Dächer der Gebäude am Roten Platz in Moskau, darunter auch die Basilius-Kathedrale. Roter Platz in Moskau mit der Basilius Kathedrale im Hintergrund.

Lange hörte man aus Russland, dass man das neuartige Coronavirus unter Kontrolle hätte. Anfang März verkündete Präsident Putin sogar eine „arbeitsfreie Zeit“ zum Schutz der Bevölkerung. Sogar der 9. Mai, einer der wichtigsten Feiertage für Putin, wurde dieses Jahr nicht öffentlich zelebriert. Trotz rasant steigender Infektionszahlen dürfen die Menschen seit dem 12. Mai wieder offiziell arbeiten.

Aktuelle Zahlen

Mittlerweile gibt es in Russland über 250.000 bestätigte Corona-Fälle. Damit ist es, laut offiziellen Zahlen der WHO, das Land mit den zweitmeisten Infektionen weltweit. Von den ca 250.000 Infizierten werden etwa 140.000 Patienten ambulant behandelt, beinahe 100.000 liegen auf die verschiedenen Krankenhäuser verteilt und rund 1500 PatientInnen müssen mit Geräten künstlich beatmet werden.

Ein ausgelastetes Gesundheitssystem

COVID-19 weist in Russland noch auf ein weiteres Problem hin: Das Gesundheitssystem, welches an seine Grenzen stößt. Der Erreger breitet sich mittlerweile in einem rasanten Tempo auf das ganze Land aus. Am Anfang der Pandemie war das Virus vorwiegend in Metropolen wie Moskau oder St. Petersburg aufgetreten. Laut aktuelleren Zahlen ist dies aber mittlerweile nicht mehr so. Auch ländlichere Gegenden sind immer mehr betroffen. Seit Tagen werden täglich über 10.000 Neuinfektionen gemeldet. Im Vergleich zur USA steht Russland mit ca. 2.300 Todesopfern noch relativ gut da. Experten glauben allerdings, dass diese Zahl geschönt wurde. Vor allem die Situation in den Krankenhäusern ist alarmierend. Ärzte klagen über zu wenig Pflegepersonal und Schutzbekleidung. Dazu kommt noch der permanente Stress im Arbeitsalltag. Diese führt bei vielen auf längere Sicht zu Ängsten, Depressionen und anderen psychischen Belastungen.

Die Opposition rebelliert

Der Oppositionspolitiker Aleksej Nawalny und dessen Stab fordern nun vom Staat mehr reale Hilfe. Ljubow Sobol, eine juristische Beraterin Nawalnys fordert zum Beispiel € 250,- Soforthilfe für alle volljährigen Staatsbürger. Die Essensvorräte und Ersparnisse des russischen Volks seien aufgebraucht, argumentiert sie. Während Konzerne schnell an staatliche Hilfe kämen, müssen die BürgerInnen mit ihren Anträgen auf Unterstützung oft wochenlang warten.

Doch Wladimir Putin hat mittlerweile schon wieder neue Maßnahmen zur Entlastung von Familien, Unternehmen und Geringverdienern angekündigt. Ärzte sollen Gehaltszuschläge bekommen, das Familiengeld wird verdoppelt und Selbständigen werden die Steuerzahlungen von 2019 zurückerstattet. Die Forderungen der Opposition werden seitens der Regierung als „populistisch und bolschewistisch“ bezeichnet. Kritik lässt Putin ja bekanntlich eher ungern über sich ergehen. Ob man mit den neu veranlassten Maßnahmen auf Dauer die derzeitigen Probleme beseitigen kann, bleibt abzuwarten. Denn durch Steuerfreiheiten ist ja bekanntlich noch kein Virus verschwunden.

„Dächer der Gebäude am Roten Platz in Moskau, darunter auch die Basilius-Kathedrale“ by Marco Verch, CC BY 2.0