Die Skandal-Masken: zwischen Verantwortung und Vertuschung

Zwei Mitarbeiter vom Österreichischen Roten Kreuz warten am Flughafen auf eine Lieferung mit Schutzausrüstung aus dem Ausland. Das Flugzeug ist bereits gelandet. Das ÖRK übernimmt die Beschaffung von Gesundheitsmaterial und Schutzausrüstung. Foto Copyright: Österreichisches Rotes Kreuz (ÖRK) /Markus Hechenberger

Die Krisenzeiten von COVID-19 erfordern vor allem eines: Schnelles Handeln. Doch der Kampf um medizinisches Schutzmaterial treibt jüngst nicht nur dem Krankenhauspersonal den Schweiß ins Gesicht. So muss der Südtiroler Sanitätsbetrieb, Koordinationsstelle der Südtiroler Gesundheitsbezirke, neben der Sicherstellung der medizinischen Versorgungslage auch gegen eine Schutzmasken-Affäre ankämpfen.

Schwere Vorwürfe

Es herrscht ungute Stimmung rund um den Südtiroler Sanitätsbetrieb. Grund dafür ist ein schwerwiegender Vorwurf gegenüber dem Generaldirektor, Florian Zerzer. Er soll vertraulichen Mailverkehr rund um das ARTW (Wiener Amt für Rüstung und Wehrtechnik) Gutachten gelöscht haben. So ist auf dem Onlineportal Salto.bz von „Vertuschung“ und „verhüllten Wahrheiten“ die Rede.

Ausgangslage Maskennot

Anfang März. Die Südtiroler Krankenhäuser befinden sich in einer kritischen Lage: Nur mehr für knapp fünf Tage sollen die Maskenbestände ausgereicht haben. Schnelles Handeln war angesagt. Die Südtiroler Landesregierung war fest entschlossen: Es brauchte einen international agierenden Betrieb als Vermittler. Finale Entscheidung fiel auf den Südtiroler Sportartikelhersteller Oberalp. Bezahlt werden musste schon vorab.

„Wir haben innerhalb von wenigen Stunden 15 Millionen US Dollar nach China geschickt. Wir wollten bei dieser Sache helfen und nicht verdienen!“,

erklärt Präsident der Oberalp Group, Heiner Oberrauch.

Spektakulärer Sondertransport

In Zusammenarbeit mit der österreichischen Regierung und der AUA konnte die bestellte Schutzausrüstung von China nach Wien eingeflogen werden. Eine außergewöhnliche Mission: 20 Millionen medizinische Schutzmasken und 600.000 Schutzanzüge mussten sich neben dem Transportraum der zwei Passagier-Jets sogar die Sitzplätze teilen.

Auch das Österreichische Rote Kreuz bekam am Anfang der Corona-Krise von der Bundesregierung den Auftrag, Schutzausrüstung zu besorgen.

„Es ist zutreffend, dass wir im Auftrag der Republik 20 Millionen Masken bei jenem Hersteller bestellt haben, von dem auch die Lieferung nach Südtirol stammt“,

bestätigte das Rote Kreuz.

Finde den Fehler

Auf die Freude über die groß inszenierte Lieferung folgte jedoch schnell die Ernüchterung. Gleich zwei Gutachten kamen zum Schock-Ergebnis: Ein Großteil der Masken wies Mängel auf.

„Wir waren alle sehr froh, als Ende März endlich die Lieferung mit Schutzkleidung eingetroffen ist. Ich war vorerst erleichtert als ich merkte, dass man mit dieser Maske auch noch besser atmen kann. Erst mitten in meinem Turnus dämmerte mir langsam, warum das wohl so wäre“,

beschreibt ein Intensivstation-Anästhesist die Lage.

Die erste bittere Wahrheit kam vom deutschen Speziallabor Dekra: „Im Bereich der Wangen sind deutliche Lücken zu erkennen“. Auch vom Wiener Amt für Rüstung und Wehrtechnik (ARWT) gab es kein Okay: Einige Masken „erfüllen nicht einmal den FFP1-Status“. Problematisch war dem Bundesheer zufolge vor allem die Passform, weil sie für asiatische, rundere Gesichter geschneidert seien.

Während das Land Tirol „einen Auslieferungs-Stopp verhängt und die Masken bestmöglich zurückgerufen“ hatte, wurde in Südtirol per Rundschreiben die Verwendung der Masken auf Intensivstationen untersagt. Sie sollen nur mehr auf normalen Abteilungen, in Altersheimen und von Hausärzten eingesetzt werden. „Die Masken entsprechen dem FFP2-Standard, wenn sie richtig sitzen“, so Florian Zerzer, Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebs.

Weitreichende Folgen

Vieles bleibt dennoch unklar: Neben Spekulationen über den Auftraggeber des ARTW-Gutachtens und der Geheimhaltung des Prüfberichts stehen immer noch etliche Widersprüche im Raum. Und deren Folgen sind weitreichend: Die Südtiroler Oppositionsparteien forderten bereits Rücktritte und einen Untersuchungsausschuss. Paul Köllensperger, Fraktionssprecher des Team K, zeigt sich empört:

„Die Führung des Sanitätsbetriebs hat die Gesundheit der Patienten wissentlich auf Spiel gesetzt. Das ist ungeheuerlich.“

Gesundheitslandesrat Thomas Widmann hingegen streitet ein Fehlverhalten ab.

„Der Sanitätsbetrieb ist von Anfang an über den Leitlinien des Istituto Superiore della Sanità und der Weltgesundheitsorganisation geblieben, und er ist dies auch jetzt.“